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Kritik - "Frau ohne Schatten" in Wien Leise Töne am Eingang zur Unterwelt

Die Staatsoper Wien feiert ihren 150. Geburtstag. Und für die Jubiläumssaison hat Intendant Dominique Meyer "Die Frau ohne Schatten" auf den Spielplan gesetzt. Eine eher überraschende Wahl, denn die Oper von Richard Strauss ist düster statt feierlich. Christian Thielemann hat die Neuinszenierung von Vincent Huguet dirigiert.

Evelyn Herlitzius als Die Amme, Camilla Nylund als Die Kaiserin | Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Zum runden Geburtstag lässt sich die Wiener Staatsoper nicht lumpen und bringt mit "Die Frau ohne Schatten" die vielleicht komplexeste und aufwändigste Gemeinschaftsarbeit von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal auf die Bühne. Um diese Oper dem Anlass entsprechend neu zu inszenieren, braucht es die ideale Besetzung. Dieser kam man Samstagabend schon sehr nahe.

Starke Frauen mit Ausdruck

Im Mittelpunkt standen die drei Frauen des Abends: Camilla Nylund als Kaiserin auf der Suche nach ihrem Schatten, der ihr Fruchtbarkeit und damit volles Menschsein beschert. Sie singt ihre Partie glänzend und zugleich samtig weich - und verkörpert überzeugend diese in jeder Hinsicht edle Figur, die durch menschliche Größe alle Prüfungen besteht. Die Deutsche Evelyn Herlitzius kehrt als Amme nicht nur die menschenverachtende, sondern auch einsame und bemitleidenswerte Seite ihrer Figur hervor und verleiht ihr mit scharfem, dann aber wieder zartem Timbre auch stimmlich unterschiedliche Facetten. Als ihr ebenbürtige Gegenspielerin überzeugt auch Nina Stemme in der Rolle der Färberin. Sie ist in ihrem Kampf um Liebesglück und Mutterschaft menschlich und willensstark zugleich.

Die Bilder der Inszenierung

Christian Thielemann setzt auf die leisen Töne

Evelyn Herlitzius als Die Amme, Camilla Nylund als Die Kaiserin, Nina Stemme als Sein Weib | Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn Die drei starken Frauen des Abends: Evelyn Herlitzius als Die Amme, Camilla Nylund als Die Kaiserin, Nina Stemme als Sein Weib | Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn Im Orchestergraben achtete Christian Thielemann geradezu penibel darauf, den Sängerinnen und Sängern auf der Bühne zu dienen und sie an keiner Stelle mit dem Orchesterklang zu überdecken. Die brutalen Ausbrüche in der Musik, die gab es natürlich auch an diesem Abend an der Wiener Staatsoper. Doch so wie Thielemann schon im Vorfeld betonte, er werde die vielleicht leiseste "Frau ohne Schatten" aller Zeiten präsentieren, kehrte er über weite Strecken tatsächlich den geradezu kammermusikalischen Charakter der Partitur hervor. Eine vielleicht richtungsweisende Interpretation dieses Werks, das erstmals in ungekürzter Fassung an der Wiener Staatsoper erklungen ist.

Atmosphärische Ausdeutung in dramatischen Bildern

Auch wenn Wolfgang Koch als Färber und Stephen Gould als Kaiser etwas im Schatten der drei Protagonistinnen standen, hat Regisseur Vincent Huguet sichtlich stark an der Darstellung der Figuren gearbeitet. Der Franzose verzichtet auf eine Neudeutung des Stoffs und erzählt ihn als jenes hochdramatische und komplexe Märchen, als das es Strauss und Hofmannsthal angelegt haben. Das Falknerhaus und die Färberei setzt er vor einer Kulisse in Szene, die einem Steinbruch nachempfunden ist, der als Eingang in die Unterwelt und zugleich als Videoprojektionsfläche dient.

Huguet setzt in seiner Inszenierung auf stimmungsvolles Begreifbarmachen der komplexen Geschichte. Einzig eine Szene im zweiten Akt mit toten Soldaten - wohl eine Anspielung auf die Entstehungszeit der Oper - schert aus diesem Konzept aus. Sich darüber hinaus von der ursprünglichen Erzählung zu entfernen, erschien Huguet wohl angesichts des großen Jubiläums zu riskant. Einzelne Buhrufe für seine Inszenierung wurden am Ende schnell vom allgemeinen Jubel übertönt, der besonders für die drei Frauen im Mittelpunkt frenetisch ausfiel.

"Die Frau ohne Schatten" an der Wiener Staatsoper

Richard Strauss:
"Die Frau ohne Schatten"
Oper in drei Aufzügen

Wiener Philharmoniker
Wiener Staatsopernchor
Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Regie: Vincent Huguet

Informationen zu Terminen und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage der Wiener Staatsoper.

Sendung: "Leporello" am 27. Mai 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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