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Pablo Heras-Casado - ein ungewöhnlicher Dirigent "Ich mag es nicht, als Maestro behandelt zu werden"

Eine freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Musikern und Dirigenten ist Pablo Heras-Casado sehr wichtig, wie er im Interview verrät. Der Spanier widersetzt sich hierarchischen Strukturen in der Orchesterlandschaft. Am Wochenende gastiert er bei den Münchner Philharmonikern mit einem reinen Schumann-Programm.

Dirigent Pablo Heras Casado beim Concertgebouw Orchester | Bildquelle: Renske Vrolijk

Bildquelle: Renske Vrolijk

BR-KLASSIK: Ihre aktuelle CD-Reihe mit dem Freiburger Barockorchester heißt "Die neue Romantik". Gibt es jetzt mit den Münchner Philharmonikern auch neue Romantik mit Schumann?

Heras-Casado: Ich glaube, das Neue, das Revolutionäre an der romantischen Musik betrifft vor allem die Einstellung, mit der man an die Musik herangeht. Das hat gar nicht so viel mit den Instrumenten zu tun. Selbstverständlich lerne ich viel dazu, wenn ich am Pult des Freiburger Barockorchesters stehe: zum Beispiel durch den Einsatz der historischen Instrumente, auf denen die Musiker spielen, aber auch durch die Art und Weise, wie sie spielen. Man bekommt dadurch einen ganz anderen Zugang zur romantischen Musik, entdeckt sie quasi neu. Das versuche ich auch in die Proben mit den Münchner Philharmonikern mitzunehmen. Wenn man mit derart wundervollen Musikern arbeitet, dann verstehen die, was diese Musik braucht: Frische und Feuer. Man darf sich da nicht so sehr beeinflussen lassen von der späten Romantik, die viel konventioneller war.

Taktstock statt Geige

BR-Klassik: Haben Sie selbst mal in einem Orchester gespielt?

Heras-Casado: Nein, in einem Orchester habe ich nie gespielt. Ich habe in vielen Chören und in Vokalensembles gesungen. Und natürlich habe ich ein bisschen Geige und Klavier gelernt. Aber eigentlich wusste ich von Anfang an: Ich will Dirigent werden. Deshalb wurde ich auf der Geige auch nie so gut, dass ich in einem Orchester hätte spielen können.

BR-KLASSIK: Also könnte man sagen, dass das Orchester Ihr Instrument ist. Wie kam es, dass Sie von Anfang an Dirigent werden wollten?

Dirigent Pablo Heras Casado in der MET | Bildquelle: Metropolitan Opera Pablo Heras-Casado beim Dirigieren in der New Yorker Metropolitan Opera. | Bildquelle: Metropolitan Opera Heras-Casado: Ich glaube, jeder Dirigent geht seinen eigenen Weg und macht ganz eigene Erfahrungen, die ihn ans Pult bringen. Ich hatte zum Beispiel weder ein besonderes Erweckungserlebnis noch das Ideal eines großen Maestros im Kopf, der in einem vollen Konzertsaal Symphonien von Mahler oder Bruckner dirigiert. Mich hat es einfach fasziniert, zusammen mit anderen Musik zu machen – in meinem Fall vor allem als Sänger. Schon als ich 14 oder 15 Jahre alt war, hatte ich eine sehr genaue Vorstellung davon, wie die Musik, damals vor allem Alte Musik, klingen soll. Diese Vorstellung wollte ich natürlich umsetzen. Aber nicht vom Pult aus, sondern als Teil der Gruppe. Ich wollte meine musikalischen Ideen weitergeben, aber eben als Teil des Ganzen. Das war ganz entscheidend für mich. Von diesem Zeitpunkt an habe ich mir ein Repertoire erarbeitet und habe damit angefangen, kleinere Orchester zu dirigieren. Und jetzt stehe ich hier.

Ich wusste von Anfang an: Ich will Dirigent werden.
Pablo Heras-Casado

Dirigent mit psychologischem Talent

BR-KLASSIK: Wie schaffen Sie es, Teil der Gruppe zu sein, wenn Sie vorne stehen?

Dirigent Pablo Heras Casado bei der Stiftung Mozarteum | Bildquelle: Stiftung Mozarteum Ausgelassene Stimmung während der Proben: Dirigent Heras-Casado zu Gast bei der Stitung Mozarteum. | Bildquelle: Stiftung Mozarteum Heras-Casado: Natürlich bin ich am Ende derjenige, der führt. Ich habe als Dirigent das letzte Wort. Es ist wirklich ein schmaler Grat, auf dem man sich da bewegt. Denn das Orchester braucht gleichzeitig auch Raum zum Atmen, um seinen Charakter zu entfalten. Jedes Orchester hat nämlich einen ganz eigenen Charakter. Heutzutage sagen die Leute ja manchmal, die Orchester würden immer ähnlicher klingen. Das stimmt aber nicht. Sogar in derselben Stadt sitzen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und Musiker in den Orchestern. Ich denke, dass man als Dirigent auch eine menschliche oder psychologische Begabung braucht, um den Musikern zu vermitteln, dass man auf ihrer Seite ist. Ich versuche sie dabei zu unterstützen, das Beste aus sich und der Musik herauszuholen. Wenn man im Sinne der Musik argumentiert, dann funktioniert es normalerweise auch, dass die Musiker mich respektieren und mein Spiel sozusagen mitspielen.

Die neue Generation der Dirigenten

BR-KLASSIK: Respekt ist ein entscheidendes Stichwort: Werden Sie von den Musikerinnen und Musikern "Maestro" genannt? Fühlen Sie sich als Maestro? Oder haben Sie das Gefühl, dass das ein veralteter Begriff ist und dass Sie einer neuen Dirigentengeneration angehören, die anders arbeitet – weniger als Anführer, sondern mehr als Teil der Gruppe?

Heras-Casado: Es passiert immer häufiger, dass mich die Orchestermusiker mit Namen ansprechen und nachfragen: "Pablo, könnten wir das nochmal machen?" Oder: "Wie hast Du das gemeint?" Das ist doch toll. Ich mag es nicht, als Maestro behandelt zu werden. Manchmal passiert es noch, dass die Musiker mich so ansprechen. Aber dann merken Sie schnell, dass ich das nicht so mag. Man geht eben ganz normal miteinander um. Ich glaube, in der Hinsicht verändern sich die Dinge mehr und mehr.

Als Dirigent braucht man eine menschliche oder psychologische Begabung.
Pablo Heras-Casado

BR-KLASSIK: Sie haben mal mit einer Ausbildung zum Schauspieler begonnen. Ist das etwas, was Ihnen beim Dirigieren hilft? Ist man auf dem Dirigentenpult auch eine Art Schauspieler?

Heras-Casado: Das war damals in Granada. Als Student habe ich so ziemlich mein eigenes Ding gemacht. Ich habe mich für alles interessiert, was mir helfen konnte, ein besserer Künstler zu werden. Ich habe Kunstgeschichte studiert, Tanzunterricht genommen und auch Schauspielunterricht. Mein Ziel war es, mir meines Körpers und meiner Körpersprache bewusster zu werden, um dadurch besser mit anderen kommunizieren und in Kontakt treten zu können. Ich habe einfach nach Möglichkeiten gesucht, meine musikalischen Ideen den Musikern und auch dem Publikum zu vermitteln. Das ist ja etwas, das so subjektiv ist wie Gefühle – oder so abstrakt, wie Farben und Formen. Und ich dachte mir eben, dass diese Ausbildung dabei helfen könnte.

INFOS ZUM KONZERT

Donnerstag, 25. April 2019, 20:00 Uhr
Freitag, 26. April 2019, 20:00 Uhr
Samstag, 27. April 2019, 19:00 Uhr

München, Philharmonie

Robert Schumann:
Symphonie Nr. 2 C-Dur, op. 61
Symphonie Nr. 4 d-Moll, op. 120 (Endfassung 1853)

Münchner Philharmoniker
Leitung: Pablo Heras-Casado

Sendung: "Leporello" am 24. April 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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