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"Musik der Welt" Aufnahmepfrüfung: "Hallgató"

Ein Live-Konzert aus der Budapester Liszt-Akademie vom Dezember 2018 mit bekannten Musikern Ungarns: dem Gitarristen Ferenc Snétberger und dem Keller Quartett. „Hallgató“ nennt sich das Album, das beim Münchner Label ECM herausgekommen ist und „Hallgató“ heißt in der Kultur der Roma ein langsames Lied, das aus Geschichte und Alltag dieses uralten Volkes erzählt. Es erklingt im ersten Satz von Ferenc Snétbergers Gitarrenkonzert, das er seinen Sinti und Roma- Vorfahren gewidmet hat. Susanne Schmerda stellt die CD vor.

Hallgató - Ferenc Snetberger & Keller Quartett | Bildquelle: © ECM

Bildquelle: © ECM

"Musik der Welt"

Aufnahmeprüfung: "Hallgató"

Ferenc Snétberger und das Keller Quartett begeben sich auf die musikalischen Spuren der Sinti und Roma. Mit seinem Gitarrenkonzert „In Memory of My People“, knüpft der ungarische Gitarrist an die Traditionen seines Volkes an, es entstand 1995 zum 50. Jahrestag des Holocaust-Endes und wurde auch im Deutschen Bundestag aufgeführt. Das Stück ist Klagelied und Würdigung zugleich, Erinnerung und Gedenken. Impressionistisch-schwelgende Streicherklänge wechseln mit feurigen Passagen, es gibt Anklänge an Jazz und die traditionelle Musik Ungarns. Und Snétberger steuert in ausgedehnten Gitarren-Improvisationen fließende Rubati, eine erstaunliche Klangfülle und warme tröstliche Emphase bei.

Snetberger: „In Memory of My People“.

Auch der letzte Satz ist hochvirtuos, ein „Tanz“ - „Allegro furioso“, der es in sich hat. Zumal live gespielt in dieser Bearbeitung für Gitarre und Streichquintett, das Quartett um Geiger András Keller ist ergänzt um den Kontrabassisten Gyula Lázár. Mit großer Rasanz, dabei präzisem rhythmischen Drive, werfen sich Gitarre und Streicher die Bälle in atemberaubendem Tempo gegenseitig zu. Und huldigen dem freien Duktus „alla zingara“ aufs Selbstverständlichste.

Und nun geht es schrittweise zurück in der Musikgeschichte.
An zweiter Stelle des Budapest-Konzerts steht Dmitrij Schostakowitschs achtes Streichquartett in c-Moll, 1960 komponiert und den „Opfern des Faschismus und des Krieges“ gewidmet. Ein zutiefst bekenntnishaftes persönliches Werk, mit dem markanten Namensmotto des Komponisten D-Es-C-H gleich im ersten Satz.

Schostakowitsch: Streichquartett Nr. 8 c-Moll

Das Keller-Quartett changiert sensibel zwischen bittersüßer Trauer und Trotz, die es mit Vehemenz in den Konzertsaal schleudert. Dann wieder beeindrucken neben auftrumpfender Dramatik die lyrischen Qualitäten und der tänzerische Elan.

Als elegische Klage bereichert das Programm schließlich auch das „Adagio für Streicher“ des Amerikaners Samuel Barber aus dessen Streichquartett op.11 von 1936. Zart, gefühlsbetont und weltmüde, ist es ein Dauerbrenner auf Beerdigungen und erlangte vor allem in seiner Orchesterversion große Popularität. Hier, im Original für Streichquartett, wirkt es bewegend innig, leuchtend und frisch.

Barber:  Adagio for Strings

Ohne Zweifel lebt das spannungsreiche Album von der Intensität des Live-Moments. Und ist zugleich eine beglückende Reise durch sechs Musik-Jahrhunderte, von subtilen Bearbeitungen John Dowlandscher Lautenstücke bis zu Klassikern der Moderne eines Schostakowitsch und Samuel Barber. Die Werkauswahl umkreist Spielarten des Gedenkens und Erinnerns, reflektiert Facetten der Melancholie und Hoffnung. Dass dies nie eintönig wirkt, ist auch den Besetzungsvarianten zu danken, vom Solostück über Duo und Quartett bis zur Kombination Gitarre und Streichquintett.


Am Ende kehrt Ferenc Snétberger, Sohn einer Romni und eines Sinto, mit der Eigenkomposition "Your Smile" (von 2017) wieder in die Gegenwart zurück. Und seine volltönende Solo-Gitarre spendet Licht und ein Lächeln.

„Hallgató“

Ferenc Snétberger, Gitarre, und das Keller Quartet
Werke von Ferenc Snétberger, Dmitrij Schostakowitsch, John Dowland und Samuel Barber

ECM 2653 (Live-Mitschnitt Liszt Academy Budapest, Dezember 2018)

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