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"Musik der Welt" Aufnahmeprüfung: "Nostalgia - The Sea of Memories"

Die Münchner Gambistin Friederike Heumann und die türkische Sängerin Nihan Devecioglu erkunden gemeinsam mit dem katalanischen Lautenisten und Gitarristen Xavier Díaz-Latorre auf ihrer neuen CD „Nostalgia – The Sea of Memories“ die Melodien, Klänge und Rhythmen, die in der Lagunenstadt zusammentrafen. Frühe Barockmusik und mediterrane traditionelle Lieder: griechische, sephardische, kalabrische, libanesische, apulische, portugiesische und armenische Musik, improvisiert oder traditionell überliefert.

Nostalgia - The Sea of Memories | Bildquelle: © ACCENT

Bildquelle: © ACCENT

"Musik der Welt"

Aufnahmeprüfung: "Nostalgia - The Sea of Memories" - Barockmusik aus Katalonien

Aufnahmeprüfung: "Nostalgia - The Sea of Memories"

Sephardische Juden sangen dieses Wiegenlied „Nani, Nani“ einst in Smyrna. Nun singt es Nihan Devecioglu und verkörpert mit großer Zärtlichkeit und Schmerz jene Mutter, die ihr Kind in den Schlaf wiegt, während sie ihren untreuen Ehemann an der Tür abweist. Eine dennoch innige Szene, zumal mit dem subtilen Gambenteppich von Friederike Heumann. Die türkische Sängerin und die Münchner Gambistin sind ein sensibel aufeinander eingestimmtes Duo und loten die vielen Musikeinflüsse der Mittelmeerregion im 17. Jahrhundert mit betörender Intensität und Sinnlichkeit aus. Wie in dieser arabisch-christlichen Osterhymne aus dem Libanon: „Wa Habibi“, ein „Stabat Mater“ auf arabisch.

Nihan Devecioglu

Delikat und weich, klar und beweglich, zugleich kraftvoll und präsent ist diese Sopranstimme, die Emotionen in Reinform miteinander verwebt.

Nihan Devecioglu stammt aus Istanbul, studierte dort und in Salzburg Gesang und verbindet Oper, Avantgarde und Welt-Musik über kulturelle Grenzen hinweg. Sie trat schon mit Bobby McFerrin in der Carnegie Hall auf und singt Jazz ebenso wie Alte Musik, 2013 erhielt sie den Musikpreis der Stadt München. Das Repertoire aus dem Schmelztiegel der Mittelmeer-Kulturen ist wie geschaffen für sie. Eine Musik, die Erinnerungen und Verluste bewahrt.

Doch auch sinnenfroh und betörend, so wie die Gewürze und Düfte des Orients, sind einige Stücke. Friederike Heumann und der katalanische Gitarrist Xavier Diaz-Latarre zelebrieren sie farbig und klangsinnlich. Beide haben studiert an der Schola Cantorum Basiliensis, sie ist Schülerin von Gambist Jordi Savall, er von Lautenist Hopkinson Smith. Im Duo schwelgen sie etwa in der Virtuosität eines Passamezzo vom Spanier Diego Ortiz. Mit Drive und reichen Verzierungen.

Spielarten der Chaconne mit ihrer frei improvisierten Oberstimme über einer ostinaten Basslinie, auch diese versammelt die CD. Friederike Heumann, solistisch und mit ihrem Ensemble „Stylus Phantasticus“ international gefragt und gefeiert, reagiert auf die stilistische Vielfalt der Gattung feinnervig, mit warmem geerdetem Gambenton.

Botschaften aus unserer Vergangenheit

Hinreißende Einblicke in den multikulturellen Charakter Venedigs und des Mittelmeerraums. Französische und griechische Melodien, sephardische, kalabrische, libanesische, apulische, portugiesische und armenische Musik.

Mit großer Abwechslung überzeugen die 18 Titel des Albums, vom Solo bis zum Trio kommen alle Interpreten zu ihrem Recht. Doch es ist vor allem die emotionale Bandbreite der behutsamen Arrangements und Improvisationen, die mich vom ersten bis letzten Stück gebannt hat: zärtlich, klagend, auftrumpfend, mitreißend.

Der Titel „Nostalgia“ – „The Sea of Memories“ meint hier nicht nur den verklärten Blick zurück, sondern richtet sich auch in unsere gemeinsame Zukunft: Welche Musik verbindet uns, wie können wir musizieren mit den Botschaften aus unserer Vergangenheit? Oder, wie es Katherine Meizel in ihrem hervorragenden Booklet-Text sagt: „Nostalgie ist eine aktive Handlung, nicht nur des Erinnerns oder neu Erschaffens; sie ist auch ein „Komponieren“ unserer Gegenwart mit Hilfe derjenigen Klänge, die uns die Vergangenheit hinterlassen hat.“ Zitat Ende. Und das ist doch eine tröstliche Perspektive!

Nostalgia - The Sea of Memories

Nihan Devecioglu, Gesang
Friederike Heumann, Viola da gamba & Lirone
Xavier Díaz-Latorre, Theorbe & Barockgitarre

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