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BMW Welt Jazz Award 2016 Auszeichnung für Indra Rios-Moore

Im Finale des BMW Welt Jazz Award 2016 näherten sich die Sängerinnen Indra Rios-Moore und Erika Stucky dem Motto "Inspired by Legends" von zwei ganz unterschiedlichen Enden. So wurde es ein spannendes Match der größtmöglichen Gegensätze, bei dem die Jury am Ende den leisen Tönen den Vorzug gab. Ein Rückblick auf einen Jazzwettbewerb der etwas anderen Art von Beate Sampson.

Die Idee, die Förderung des Jazz in München mit ins kulturelle Engagement zu nehmen und einen internationalen Jazzwettbewerb auf die Beine zu stellen, um aufstrebende Talente zu präsentieren und zu unterstützen, nahm bei BMW 2009 zum ersten Mal Gestalt an. "The Art of Piano Trio" lautete damals das Motto des BMW Welt Jazz Award und den gewann das Trio [em] um den Pianisten Michael Wollny. Der war gerade auf dem Sprung zum internationalen Ruhm und damit ein idealtypischer Gewinner des Wettbewerbs, der seither jedes Jahr mit einem neuen Motto aufwartet.

2009: The Art of Piano Trio
2010: Voices in Jazz
2011: Two Horns and more
2012: Jazz and the City
2013: Leading Drums
2014: Sense of Humour
2015: Playing my guitar
2016: Living Legends

Vom Newcomer bis zum Star haben in 48 Konzerten Musikerinnen und Musiker aus 17 Ländern die Stile des Jazz in all seinen Spielarten durchdekliniert.

Ein Wettbewerb mit besonderem Format

Jede der sechs teilnehmenden Bands bestreitet eine Sonntagsmatinee in voller Konzertlänge. Die Termine dafür sind im Januar, Februar und März. Sie finden im 700 Menschen fassenden Doppelkegel der BMW Welt statt, jener futuristischen Konstruktion aus Glas und Stahl, die sich schon häufig als zu klein erwiesen hat, um alle Interessierten und Fans unterzubringen, die hier Lieblingskünstler und Neuentdeckungen bei freiem Eintritt erleben können.

Auch wenn der Wettbewerbsgedanke für das Publikum an diesen zum Teil musikalisch magischen Vormittagen wahrscheinlich noch eher eine untergeordnete Rolle spielt, ist es dazu eingeladen, eine Bewertung des erlebten Konzerts abzugeben. Aus diesem Votum wird der Publikumspreis ermittelt, der dem Gewinnerensemble einen Festivalauftritt inklusive Wochenendaufenthalt in einem bayerischen Fünfsterne-Hotel beschert. Hier ein kleiner Eindruck der Bands, die es da in diesem Jahr zu bewerten galt.

Die Musiker stellen sich vor

Die Fachjury leistet den Löwenanteil ihrer Bewertungsarbeit bei den Matinee-Konzerten. In den Pausen und direkt im Anschluss an jedes Konzert berät sie sich, dokumentiert Eindrücke und Beurteilungen, um sie nach dem sechsten Auswahlkonzert abzuwägen und die beiden Bands zu bestimmen, die im Finale um den mit 10.000 Euro dotierten ersten und den mit 5.000 Euro dotierten zweiten Preis beim BMW Welt Jazz Award gegeneinander antreten. In diesem Jahr fiel die Wahl auf die beiden einzigen Ensembles im Wettbewerb, in denen Frauen eine zentrale Rolle als Sängerin spielt. Doch trotz dieses gemeinsamen Merkmals könnten die Quartette rund um Erika Stucky und Indra Rios-Moore kaum unterschiedlicher sein.

Eigenständige Interpretation des Jimi Hendrix Vermächtnisses

Gewinner BMW Welt Jazz Award 2016 | Bildquelle: BMW Welt Stucky-Doran-Studer-Tacuma | Bildquelle: BMW Welt Das Repertoire des legendären Rockstars und tragischen Gitarrengottes Jimi Hendrix war schon des Öfteren Inspiration für den Jazz, zum Beispiel für Gil Evans und sein Orchestra. Für das Schweizer-Irisch-Amerikanische Quartett um Erika Stucky, mit Gitarrist Christy Doran, Bassist Jamaaladeen Tacuma und Schlagzeuger Fredy Studer ruft sein Werk nach einer kraftvoll rockigen Neuauslegung - einer Musikinszenierung zwischen Tiefsinn und skurriler Brechung. Deren Zeremonienmeisterin ist die Sängerin Erika Stucky. Geboren in San Francisco, mitten hinein in die Flower-Power-Zeit, ging sie später mit ihren Schweizer Eltern zurück ins Wallis, und wuchs im Spannungsfeld zwischen Bergtradition und Hippie-Freigeist zu einer formidablen Entertainerin heran. Als "Mrs. Bubble", als "Black Widow" oder "Spidergirl", mit "Suicidal Jodels", mit dem Tom Waits Programm "Raindogs Revisited", als Kleinkünstlerin mit der Vokalgruppe "Sophisticrats" oder als Solistin der George Gruntz Concert Jazz Band ist sie in den letzten 30 Jahren weltweit aufgetreten und hat ein gutes Dutzend Alben aufgenommen. 2015 ist ihr Jimi Hendrix Tribute "Call me helium" mit Stucky-Doran- Studer-Takuma erschienen.

Betörender Streifzug durch die anglo-amerikanische Musikgeschichte

Gewinner BMW Welt Jazz Award 2016 | Bildquelle: BMW Welt Indra Rios-Moore | Bildquelle: BMW Welt Nicht einer Musikerlegende allein, sondern den "Legends" der breitgefächerten Tradition populärer, anglo-amerikanischer Musik bis hin zu ihren Wurzeln in Afrika, Lateinamerika und Europa widmet sich die aus New York stammende Sängerin Indra Rios-Moore gemeinsam mit ihrer dänischen Band. Dabei setzt das Quartett konsequent auf leise, fein ausziselierte Interpretationen aus vielen Genres - vom Lied aus Nigeria, einer irischen Mörderballade, einem Gospel, einem Musicalklassiker bis hin zu dem auf seinen Bluesursprung zurückgeführten Pink Floyd Hit "Money". Hier entsteht die Faszination durch den ruhigen Fluss und die vielfarbigen Klangnuancen, die melodiösen Soli und den schönen, modulationsreichen Klang der Stimme von Indra Rios-Moore, die in ihrer Kindheit von ihrer puerto-ricanischen Mutter auch zu klassischem Musik- und Stimmbildungsunterricht ermutigt wurde. Mit diesem Fundament, hohem musikalischen Gespür und ihrem wohldosierten Soul der sanften Art hat sie schon auf ihren ersten beiden Alben überzeugt, die mit dem Danish Music Award als "Best Jazz Vocal Album" ausgezeichnet wurden. Für das aktuelle Album "Heartland" konnte Starproduzent Larry Klein gewonnen werden.

Die Qual der Wahl

Gewinner BMW Welt Jazz Award 2016 | Bildquelle: BMW Welt Die beiden Finalisten-Ensembles | Bildquelle: BMW Welt Nachdem das Quartett Stucky-Doran- Studer-Tacuma und die Sängerin Indra Rios-Moore mit ihrer Band am 7. Mai je ein Seit im Finale des BMW Welt Jazz Award gespielt hatten, fragte man sich nicht zum ersten Mal in der Geschichte des Wettbewerbs: Wie soll man zwei stilistisch so unterschiedliche Finalisten-Ensembles, die sich dem diesjährigen Motto "Inspired by Legends" von ganz anderen musikalischen Enden her näherten, miteinander vergleichen können? Geschweige denn, entscheiden, welches der beiden zum besseren gekürt werden soll, zum Gewinner des BMW Welt Jazz Awards in seinem achten Jahr? Wer lieferte denn nun die bessere Performance, sprich: die höhere Spielkunst, die stärkere Ausstrahlung und welches war das interessantere Programm?

And the winner is …

Beide Sängerinnen lieferten mit ihren Bands ein mitreißendes Set , an dem es nichts auszusetzen gab. Laut, rockig, mit ausgeprägtem Sinn für spannende Dramaturgie und hohem schauspielerischen Gespür die eine – auf sanfte Weise eindringlich, mit viel persönlicher Ansprache und auf Natürlichkeit setzend die andere. Bejubelt wurden beide Bands gleichermaßen und beide hätten einen ersten Preis verdient. Doch so ist der BMW Welt Jazz Award nicht konzipiert. Nach der Jury-Sitzung wurden gegen 22.00 Uhr die Platzierungen verkündet.

Den BMW Welt Jazz Award 2016 "Inspired by Legends" gewann Indra Rios-Moore. Der Publikumspreis ging zusammen mit dem Preisgeld für Platz 2 an Stucky-Doran-Studer Tacuma.

Aus der Begründung der Jury

"Bei zwei herausragenden Performances, einer extrovertierten und einer introvertierten, hat sich die Jury ganz subjektiv für die stillere, introspektive entschieden. Sie war berührt von der erstaunlichen Stimme von Indra-Rios Moore und überzeugt vom Konzept, die amerikanische Songtradition einem extrem reduzierten skandinavischen Sound gegenüberzustellen. Indra Rios-Moore gehört in die Reihe verblüffend neuer, ganz auf ihren individuellen Ausdruck vertrauenden Sängerinnen, und die Jury ist sicher, dass man von ihr noch viel hören wird."

Die Jury

Gewinner BMW Welt Jazz Award 2016 | Bildquelle: BMW Welt Jury und Gewinner des BMW Welt Jazz Award 2016 "Inspired by Legends" | Bildquelle: BMW Welt Oliver Hochkeppel (Vorsitz): Musik- und Kulturjournalist der Süddeutschen Zeitung
Christiane Böhnke-Geisse: Künstlerische Leiterin des internationalen Jazzfestivals "Bingen swingt"
Andreas Kolb: Chefredakteur von JazzZeitung.de, neuer musikzeitung und Mitherausgeber des Magazins Silberhorn
Heike Lies: Musikwissenschaftlerin im Bereich Musik und Musiktheater im Kulturreferat der Stadt München
Roland Spiegel: Musikredakteur mit Schwerpunkt Jazz bei BR-KLASSIK

Wie geht es weiter?

Das Motto für die neunte Ausgabe des BMW Welt Jazz Award steht schon fest, in deutscher und englischer Version: "Bass erstaunt!" oder "Amazing Bass". Bands, die von Bassisten geleitet werden, die auch selbst komponieren, werden im nächsten Jahr im Wettbewerb antreten. Im Dezember werden die teilnehmenden Ensembles und die Konzerttermine feststehen.

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