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Gitarrist Chuck Loeb gestorben Meister des Geschmackvollen

Er war einer der vielseitigsten Perfektionisten der Jazzgitarre und spielte mit Stars wie den Saxophonisten Stan Getz und Michael Brecker. Chuck Loeb setzte neue Standards im Fusion-Jazz. Am 31. Juli ist er im Alter von 61 Jahren gestorben.

Jazzgitarrist Chuck Loeb | Bildquelle: picture alliance / Jazz Archiv

Bildquelle: picture alliance / Jazz Archiv

Nach dem Konzert im Bayerischen Hof im Herbst 2011 hatten die Musiker der Band Fourplay einen freien Tag. Man gönnte sich ein wenig Ruhe. Bassist Nathan East und Gitarrist Chuck Loeb beschlossen, am Abend ihren Kollegen Steve Lukather zu besuchen. Der Rockgitarrist trat zufällig auch in München im "Backstage" auf. Als sie ankamen und Steve Chuck sah, fiel er auf die Knie. Und diese Geste war ernst gemeint, denn wie für viele andere Musiker galt Chuck Loeb als zentraler Gitarrist seiner Generation. Vielseitig, neugierig, über spieltechnische Fragen erhaben. Dabei höflich und bescheiden. Einer von den Menschen, die ihrem Gegenüber das Gefühl geben können, der Mittelpunkt ungeteilter Aufmerksamkeit zu sein.

Wolfgang Haffner über Chuck Loeb

"Ich habe mit ihm viele großartige Momente erleben dürfen, denn wir sind viel zusammen durch die Welt gezogen. Bei ihm kam zum Musikalischen immer auch das Menschliche hinzu. Chuck hat es geschafft, aus jeder Situation das Beste zu machen. Manchmal kam es vor, dass wir auf Flughäfen gestrandet sind, auf dem Boden schlafen mussten. Chuck meinte dann: Ist alles halb so wild. Morgen dürfen wir wieder auf einer großen Bühne stehen und Musik machen! So war er, positiv, ein Menschenfreund."

Das war seine Art, auch wenn er zum Instrument griff. Denn Musik hatte für Chuck Loeb immer mit Geschmack, mit Sensibilität zu tun. Er gehörte zu den wenigen Solisten, die am Beginn eines Solos in der Regel das Instrument erst einmal leiser stellten, um dem Klang zu seinem Recht zu verhelfen. Sicher, bald darauf konnte es dann losgehen, durch Stile und Welten, brasilianisch, spanisch, swingend, rockend, bei in Deutschland kaum bekannten Combos wie Will Lee’s Family Band sogar lärmend laut. Wichtig aber blieb das Ganze, die Wirkung der Gitarre im Zusammenhang mit den anderen Instrumenten, mit Leuten, die er begleitete, wie auch mit eigenen Bands.  

Von Stan Getz bis Steps Ahead

Das machte es Chuck Loeb hierzulande nicht leicht, über die Spezialisten hinaus angemessen wahrgenommen zu werden. Denn die lange Jahre in alten Mythen verfangene deutsche Jazzkritik hatte ihre Vorbehalte gegenüber Musikern, die Wert auf Stil und Wohlklang legten. Chuck Loeb, geboren am 7. Dezember 1955 in einer Vorstadt von New York wurde im kulturellen Umfeld der Jazzmetropole sozialisiert. Er lernte als Teenager bei Lehrern wie Jim Hall, dem kaum älteren Pat Metheny, und auch am Berklee College das elegante Gestalten - bevor ihn zuerst Chico Hamilton und dann 1979 Stan Getz in ihre Bands holten.

Aus dem Arbeitsverhältnis wurde Freundschaft, Loeb leitete die Band von Getz. Der wiederum wurde sein Trauzeuge, als Loeb bald darauf die Sängerin Carmen Cuesta heiratete. Während sich zum einen Spanien zur zweiten Heimat entwickelte, machte zum anderen seine internationale Karriere große Sprünge. 1984 schloss er sich für vier Jahre Michael Breckers "Steps Ahead" an. Loeb wurde herumgereicht in der amerikanischen Fusion-Szene. Er fand auch seinen Weg nach Deutschland, in Bands von Till Brönner oder zu "Metro", einem Groove-Project mit Wolfgang Haffner und Mitchel Forman.

Fourplay und Familie

Er wirkte bei Filmmusiken von "E-Mail für Dich" bis "Hitch" mit, schrieb TV-Jingles für Sender wie ABC, CBS und gehört als Komponist für CNN - unter anderem durch das Thema der Headline News - zu den meistgehörten Melodiengebern Amerikas. Aber er bekam auch das Etikett Smooth Jazz aufgestempelt, das es bei allem Lob schwer machte, von der Musikpublizistik ernst genommen zu werden. Es ärgerte Chuck Loeb, aber brachte ihn nicht aus der Ruhe, schließlich hatte er genügend wunderbare Ensembles wie ab 2010 Fourplay und außerdem seine ebenso geliebte wie begabte Familie, wo neben seiner Frau Carmen auch die Töchter Lizzy Loeb und Christina Cuesta in seine künstlerischen Fußstapfen traten.

Mit Bob Dylan auf der Bühne

Nicht zuletzt gab es musikalische Ereignisse, die ihn manche laue Kritik vergessen ließen. Anno 2003 beispielsweise holte ihn im New Yorker Hammerstein Ballroom Bob Dylan für ein paar Songs auf die Bühne. Wenig später erinnerte sich Chuck Loeb in einem Fernsehinterview an diesen Moment: "Das erste Stück, das ich jemals auf der Gitarre gelernt habe, war 'Like A Rolling Stone'. Ich stand nun auf der Bühne, Dylan drehte sich zu mir und meinte: 'Chuck, yeah!'. Da dachte ich: 'Ok, jetzt kann der Tod kommen!'"

Chuck Loeb hatte noch viele kreative Jahre bis hin zu einer Krebserkrankung, die ihn im vergangenen Herbst dazu zwang, die musikalischen Aktivitäten einzuschränken. Am Vormittag des 31. Juli 2017 starb Chuck Loeb an den Folgen der Krankheit im Alter von 61 Jahren.

Sendungs-Tipp

BR-KLASSIK widmet dem großen Gitarristen Chuck Loeb eine Sondersendung: die Jazztime am Donnerstag, den 28. September 2017.

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