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Dudelsack und Guinness Folk-Musik in Dublin im Aufwind

Junge Leute strömen in Dublin in die Musikkneipen, um Folk-Musik zu hören und auch selbst zu spielen. Die jüngere Generation entdeckt die traditionelle irische Musik wieder für sich, interpretiert sie aber auf ihre eigene Weise. Mit dem nostalgischen Irish-Folk ihrer Vorfahren hat das nichts mehr zu tun.

Das „Cobblestone“ im Stadtteil Smithfield ist ein beliebter Treffpunkt für die junge alternative Folk-Musik-Szene in Dublin. Der Putz bröckelt hier gleich an mehreren Ecken von der Fassade, der dunkelgrüne schnörkelige Schriftzug musste unlängst neu nachgezogen werden, da man den Namen des Pubs von außen nur noch erahnen konnte. Gedämpftes Licht fällt auf die kleinen runden Tische im Inneren des Raums, an den ockerfarbenen Wänden hängt ein Sammelsurium verblichener Fotos alter Folk-Größen neben Bier-Reklame und Konzertplakaten. In einem Halbkreis haben sich einige Musiker zusammengefunden. Ungezwungen sitzen sie hier eng beieinander. In ihren Händen halten sie Dudelsack, Geige, Banjo und Bodhran-Trommel, vor ihnen stehen mehrere Gläser dunklen (Guinness)-Biers. Die Sessions entstehen dann ganz spontan. Die Musiker finden einfach zusammen. Einer ergreift die Initiative, und die anderen stimmen ein.

Junge Iren sind begeistert

Band "Lynched" | Bildquelle: Brian Flanagan Bildquelle: Brian Flanagan „Lynched“ – die Dubliner Band um den charismatischen Singer-Songwriter und Dudelsack-Spieler Ian Lynch, zählt heute zweifelsohne zu einer der populärsten Ausnahmebands der jungen irischen Folk-Szene. Mit ihrem schwarzen Humor, ihrem spielerischen Elan und ausgefeilten jigs and reels gelingt es den vier Musikern, vor allem die jüngere Generation zu begeistern. Junge Iren, die diesem Genre bislang nicht viel abgewinnen konnten und es eher als folkloristische Darbietung alter Männer ansahen. „Urban Folk“, „Protest Folk“ oder „Radical Trad“ – vielschichtig sind die Bezeichnungen für ein neues musikalisches Phänomen in Irland, das sich vom verstaubten Image des nostalgischen Irish-Folk der Vorväter deutlich abgrenzt.

Und es ist wohl auch kein Zufall, dass sowohl Ian Lynch als auch sein Bruder Daragh erst über einige Umwege zum „Trad“ fanden. Als Teenager hörte er Punk, insbesondere die politischen Punkbands sagten ihm zu. Auch in der Folk-Musik interessierten ihn zunächst nur Protest-Songs. Bis er eines Tages zu der Ansicht kam, dass in Folk mehr Punk steckt als in Punk selber.

Folk ist für mich ein Stück weit offener, ehrlicher. Und man kann immer verstehen, was gesungen wird.
Ian Lynch

Neben “Lynched” zählen Bands wie „Skipper’s Alley“, „Landless“, „Ye Vagabonds“ oder „This is How we Fly“ heute zu den kreativsten Bandformationen der jungen Dubliner Trad-Szene. Seit einigen Jahren erfahren Folk- und Traditional Music in der irischen Hauptstadt einen bemerkenswerten Boom. Eine Neuheit sind die sogenannten „Singing Sessions“, zu denen sich junge und alte Dubliner aus allen sozialen Schichten in Pubs und Musikclubs zusammenfinden, um dort gemeinsam ihre Gesangskunst unter Beweis zu stellen. Gesungen wird Querbeet. Oft sind es düstere Balladen der vergangenen Jahrhunderte, sarkastische Wortspiele oder Gedichte der Vorfahren, die von jeder Menge Galgenhumor zeugen. Zuletzt wurde „Die Nacht, bevor Larry gehenkt wurde“ das wohl populärste dieser alternativen Musikevents in Dublin, das regelmäßig im „Cobblestone“ stattfindet.

Back to the roots

Dass junge Menschen sich wieder für Folk-Musik interessieren, hat sich lange angebahnt. Kieran Hanrahan, der Musikdirektor des alljährlichen "Temple Bar TradFest“ in Dublin, beobachtet diese Entwicklung seit langem. Die jungen Iren wollen sich damit von der Globalisierung bewusst absetzten, meint er: "Sie haben zwar alle ihre Laptops, iPads und iPhones, aber sie wissen, dass sie sie jederzeit beiseitelegen und zu ihren traditionellen Musikinstrumenten greifen können."

Das sei nicht wirklich ein Widerspruch, sagt Hanrahan. Es handelt sich vielmehr um eine Bereicherung ihres Lebens. Noch nie zuvor habe sich die traditionelle irische Musik in einer solch stabilen Situation befunden. Sie hat sich über die Jahrzehnte etablieren können und ist heute ein wichtiger Teil der irischen Jugendkultur. Die Iren seien heute stolz auf ihre Tradition und Kultur. Und sie seien glücklich, ihre Musik auch außerhalb der eigenen vier Wände spielen zu können.

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