BR-KLASSIK

Inhalt

BR-KLASSIK-Jazzredaktion empfiehlt Ella Fitzgeralds "Top Five"

Sie war die "First Lady of Swing", aber auch die "First Lady of Song" und sie war "Lady Time" - mit all diesen Titeln wurde Ella Fitzgerald bedacht. Ob mit Witz und Tempo im Bebop oder mit Gefühl und Tiefgang bei melancholischen Balladen: mit perfekter Intonation, Schmelz in der Stimme durch alle Register und heiteren Scat-Silben veredelte sie jeden Song. Zur Feier ihres 100. Geburtstags stellt die Jazzredaktion von BR-KLASSIK fünf Alben vor, die besonders gefallen.

Die First Lady of Jazz bei ihrem Konzert in der Hamburger Ernst-Merck-Halle am 18. Februar 1954 mit der Jazz-Formation "Jazz at the Philharmonic". | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

"Ella Fitzgerald Sings The Cole Porter Songbook", 1956

CD-Cover: Ella Fitzgerald Sings the Cole Porter Song Book | Bildquelle: Verve Bildquelle: Verve Über die Schönheit ihrer Töne, über ihre Treffsicherheit, ihren stimmlichen Schmelz ist sehr viel geschrieben worden - und da gibt es vielleicht kaum etwas hinzuzufügen. Aber daneben ist es auch immer wieder atemberaubend zu hören, wie Ella Fitzgerald Songtexte zum Schillern, Schimmern und Flirren gebracht hat. In diesen, erstmals 1956 erschienenen Schallplatten-Aufnahmen für Norman Granz‘ Label Verve ist die - wie ich finde - Optimal-Kombination zu erleben: Songs von Cole Porter, diesem Meister funkelnder Texte und ironisch glitzernder Harmonien, und die Stimme und ungemein klare Artikulation Ella Fitzgeralds. Ein Traum, wie die Sängerin die Vokale und Konsonanten formt in Zeilen wie diesen: "Birds do it, bees do it, even educated fleas do it, let’s do it, let’s fall in love". Oder wie sie die folgenden Sätze zum Swingen bringt: "In olden days, a glimpse of stocking was looked on as something shocking. Now, heaven knows, anything goes." Oder wie mühelos sie den Gipfel an edler Sprach- und Tonformung in dem Lied "Begin the beguine" erklomm: "To live it again is past all endeavor, except when that tune clutches my heart (…)." Nicht umsonst soll Cole Porter, als ihm diese Aufnahmen vorgespielt wurden, gestaunt haben über die "wundervolle Diktion" dieses "Girls", wie er sagte. Jedes einzelne Wort in ihrer Aussprache wäre schon für sich Musik gewesen. Um so schöner, wie sie auch noch Porters Melodien in leuchtender Eleganz erstrahlen ließ: Songklassiker in zeitlos feiner Interpretation.

Ella Fitzgerald & Louis Armstrong: "Porgy and Bess", 1957

CD-Cover: Ella & Louis - Porgy & Bess | Bildquelle: No Frills Bildquelle: No Frills Songs aus George Gershwins Folk Opera “Porgy and Bess” im großorchestralen Setting und dazu die beiden Jazzstars, deren Stimmen reif und wohlgerundet klingen. 1957 war Ella Fitzgerald 40 und Louis Armstrong 16 Jahre älter. Sein heiserer Sound und der samtig gekörnte bei Ella ergänzen sich in intensiven und anrührenden gesanglichen Dialogen. Das Orchester spielt kraftvoll und differenziert in Arrangements von Russell Garcia. Großes Kino für die Ohren gelingt in dieser Kombination bei absoluten Highlights wie “Summertime”, “It ain't necessarily so” und “Bess, you is my woman now”. Der raue Louis ist dabei oft ungewöhnlich verletzlich im Ausdruck und Ella zart beseelt bis soulig. Sie gestaltet hier zum Teil mit Klangfarben, die überraschen - wenn sie “Oh Doctor Jesus” in der Art eines liturgischen Gesangs anlegt und “My man is gone” fast wie ein Chanson - eines, das natürlich swingt und bei dem sie ganz en passant auch mal einen Ton über zweieinhalb Oktaven in die Höhe zieht.

Ella in Berlin: "Mack the Knife", 1960

CD-Cover Ella in Berlin: Mack the Knife | Bildquelle: Verve Bildquelle: Verve Es gibt Minuten in der Musikgeschichte, die reichen aus, um unsterblich zu werden. Ella Fitzgerald war es eigentlich schon, als sie am 13. Februar 1960 die Bühne der Deutschlandhalle in Berlin betrat. Aber was sie bei einer Minute und 42 Sekunden im Song "Mack the Knife" tat, machte sie für alle Zeiten zur Königin des Jazz, des Songs und der Improvisation. Genau in diesem Moment vergaß sie nämlich den Text. Ab der vierten Strophe des Brecht-Weill-Klassikers hatte sie den Text einfach nicht mehr parat und dann improvisierte sie. Sie fragt singend, was der Text der Strophe sei, denn diese habe sie vergessen. In Strophe fünf paraphrasiert sie die Handlung der Moritat über MacHeath und zählt dann die großen Sänger Louis Armstrong und Bobby Darin auf, die den Song aufgenommen hatten, in deren Reihe sie, Ella Fitzgerald, sich nun auch stellt. Nach den knapp fünf Minuten "Mack the Knife" war eine Version für die Ewigkeit geboren - in Berlin am 13. Februar 1960.

Ella Fitzgerald & Duke Ellington Orchestra: "Ella at Duke's Place", 1965

CD-Cover: Ella at Duke's Place | Bildquelle: Verve Bildquelle: Verve Ella Fitzgerald bewunderte Duke Ellington. 1957 hatte sie das erste Mal mit ihm zusammengearbeitet und seine Kompositionen als “Song Book” auf vier Platten eingesungen. An den großen Erfolg, für den sie mit einem Grammy belohnt wurde, knüpfte sie 1965 an, und nahm mit Ellington und seinem Orchester an drei Nachmittagen - abends spielte die Band Auftritte - das Album “Ella at Duke's Place” auf. Entspannte Tempi überwiegen hier - nur das Finish mit dem Bebop Highlight “Cotton Tail” zieht an. Entspannt navigiert Ella durch die kunstvollen Songs. Ihre souveräne Stimmführung und der vollmundige Sound mit dem charakteristischen flachen Vibrato am Ende der Töne sind einmal mehr das ideale “Instrument”, um die sehnsuchtsvolle Note der Kompositionen von Duke Ellington und Billy Strayhorn zu gestalten. Zum Dahinschmelzen sind ihre Fassungen von "Something to live for", "Passion Flower" und "A flower is a lovesome thing" und zum Tagträumen lädt sie im suggestiv grooven "Azure" ein.

Ella Fitzgerald/Joe Pass: "Speak Love", 1983

CD-Cover Ella Fitzgerald & Joe Pass: Speak Love | Bildquelle: Pablo Bildquelle: Pablo Die Worte "Speak low when you speak love" glitzern, wenn Ella Fitzgerald sie singt. 1983 im Studio, zusammen mit Gitarrist Joe Pass. Das dritte Studioalbum der beiden strahlt eine immense Vertrautheit der Duopartner aus. Dabei aber auch Leichtigkeit und Risikofreude. Ella, 65-jährig, wirkt in "Girl talk" wie ein Teenager, in "Georgia on my mind" wie eine Gospelqueen, in "At last" wie eine Soul-Göttin, im swingenden "I may be wrong (but I think you're wonderful)" unendlich geschmeidig, kokett und augenzwinkernd. Joe Pass, der technisch vielleicht erhabenste Gitarrist, den der Jazz je gesehen hat, hält sich elegant zurück. Lässt hier und da äußerst geschmackvolle Einwürfe aufblitzen und improvisiert immer mit Sinn für den Song. Sie könnten zusammen so kraftvoll wie eine ganze Bigband klingen, aber auf "Speak love" bleibt alles relaxed und genau deshalb ungemein spannend. Die beiden wissen, dass sie Power haben, zügeln sich aber, um der gemeinsamen Intensität willen. Ein Hörgenuss von Beginn bis Schluss, und Jazzkammermusik, wie sie besser nicht sein könnte.

    AV-Player