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Jan Garbarek zum 70. Geburtstag Renaissance-Gesänge, Sopransaxophon und ein prominenter Streit

Sein Saxophonton ist unverwechselbar. Jan Garbarek, Improvisator, Komponist und findiger Bandleader wird am 4. März 70 Jahre alt. In unserem Steckbrief erfahren Sie in Kurzform, was Sie über ihn wissen müssen.

Jan Garbarek Saxophonist | Bildquelle: Guri Dahl/ECM Records

Bildquelle: Guri Dahl/ECM Records

Jan Garbareks Sound

Setzt er sein Instrument an, ist es für manche der Inbegriff des Transzendenten. Kraftvoll mit einer gewissen Schärfe und trotzdem schmeichelnd. Von großer Klarheit und Eindringlichkeit. Seine Musik bezeichnet Jan Garbarek selbst nicht als Jazz. Der endet für ihn in den 1960er Jahren. Alles was danach kam und kommt, sei etwas anderes - und er sei sehr froh, keinen Namen dafür finden zu müssen.

Jan Garbareks Anfänge

Am 4. März 1947 kam Jan Garbarek in Mysen, im Südosten Norwegens, zur Welt. Sein Vater kam aus Polen, seine Mutter stammte von einem norwegischen Bauernhof. Er hörte das Stück "Count Down" von John Coltrane im Radio und wollte Saxophon spielen, was er autodidaktisch lernte. Seine Eltern schenkten ihm ein Instrument, das aber noch generalüberholt werden musste. In der Zwischenzeit studierte er schon seine Saxophonschule und konnte, als er das überholte Instrument endlich bekam, aufgrund seiner Trockenübungen gleich losspielen.

Jan Garbareks Einflüsse

Allen voran nennt er John Coltrane als seinen ersten Einfluss. Aber auch die Saxophonisten Ben Webster und Dexter Gordon. Beide durfte er live erleben. Und von Dexter Gordon schaute er sich als Teenager sogar die typische Bewegung der Beine ab: ein gewisses Schlenkern. Er gab es jedoch auf Anraten seiner damaligen Freundin wieder auf, es sehe lächerlich aus, sagte sie. Wichtig ist Folklore-Musik von allen Kontinenten: afrikanische, arabische, indische, japanische, norwegische. Aber auch klassische Musik: Edvard Grieg, Maurice Ravel, Claude Debussy. Igor Strawinsky hört er immer wieder mit großem Vergnügen. Allerdings findet er meistens nur beim Autofahren die Zeit dazu.

Jan Garbareks wichtigster Lehrer

Jan Garbarek Saxophonist | Bildquelle: picture alliance / IMAGNO/Nikolaus Similache Bildquelle: picture alliance / IMAGNO/Nikolaus Similache George Russell, Pianist, Komponist, Arrangeur, war sein Entdecker und großer Förderer in Jugendjahren. Jan Garbarek erinnert sich an ein Konzert in Molde in Norwegen. Er war 17 und spielte mit anderen norwegischen Jazzern bei einer Jamsession. Auf einmal spürte er, wie er sagt, eine Explosion vom Klavier her. Jan spielte, wie immer eigentlich, mit geschlossenen Augen und er ließ sich von dieser Energie des Klaviers tragen. Als er fertig mit seinem Saxophonsolo war, blickte er zum Klavier und dort saß George Russell, ein "echter amerikanischer Jazzstar". Nach der Session fragte der Pianist Jan, ob er ihn auf Tournee begleiten wolle. Die Eltern Garbarek ließen das aber nicht zu. Doch Russell fand einen anderen Weg und organisierte eine Aufnahme fürs norwegische Radio und so konnte Jan in seine Band kommen und dort mit ihm aufnehmen. George Russell sprach sehr viel mit den Musikern über seine Musik, er wollte keine Einschränkungen oder Grenzen in seiner Band. Alle Spielanweisungen, die nach Einengung klingen konnte, korrigierte Russell und ließ seinen Musikern völlige Freiheit. Die Zeit bei und mit George Russel ist für Garbarek die wichtigste Lehrzeit seines Lebens.

Jan Garbareks Instrumente

Das Tenorsaxophon war zunächst sein Hauptinstrument. Es gab aber auch immer Faszination für das hohe Sopransaxophon, nicht zuletzt weil Jan Garbareks Vorbild John Coltrane es spielte. Nur die übliche gerade Sopransaxophon-Bauweise (es sieht der Klarinette sehr ähnlich) gefiel ihm nicht. Er hörte von einem gebogenen Sopransaxophon und fand eines in einem Instrumentenladen in Stockholm. Damit hatte er sein Instrument gefunden, mit genau dem Sound, den er haben wollte. Der Versuch, zur Sicherheit gleich noch ein zweites Saxophon in dem schwedischen Laden zu kaufen, scheiterte: Es gab keines mehr. Das war in den 60er Jahren. Bis vor kurzem dachte Jan Garbarek, er müsse aufhören, wenn dieses alte Sopransaxophon kaputt gehen würde. Gott sei Dank hat er mittlerweile aber ein neues gefunden.

Jan Garbareks Wesen

Er ist ein absoluter Gentleman. Unterhält man sich mit ihm, wirkt er äußerst bescheiden, spricht lieber über andere Musiker und deren Genialität - als über sich und seine Erfolge. Auch sieht er seine Musik als Job. Den er, so hat er es immer wieder erklärt, auch irgendwann an den Nagel hängen werde. Hierzu gibt es aber unterschiedliche Informationen. Er soll anderen Musikern gegenüber geäußert haben, er wolle so lange weiterspielen, wie es nur irgendwie geht.

Jan Garbareks bedeutendste Bands

Das Keith Jarrett European Quartet war eine aufsehenerregende Band, die ohne das Saxophon von Jan Garbarek vielleicht nicht so einen Erfolg gehabt hätte. Er interpretiert die ausladenden Themen des Pianisten mit kantiger, nordischer Leidenschaft.
Im Trio mit Pianist und Gitarrist Egberto Gismonti und Bassist Charlie Haden zeigte Garbarek seine Liebe für lateinamerikanische Klänge. Kammermusik mit ganz luftigem Atmen und feinem Gespür für das Leise.
Die Zusammenarbeit mit dem Vokalquartett Hilliard Ensemble war vielleicht Garbareks erfolgreichstes Projekt überhaupt. Über eine Million Mal verkaufte sich die CD "Officium". Er improvisierte zu vierstimmigen Gesängen aus dem 15. und 16. Jahrhundert und später auch zu neueren Klängen eine fünfte Stimme dazu. Ein Erlebnis, besonders bei Live-Konzerten, die meist in Kirchen abgehalten wurden.
Mit seiner Jan Garabarek Group ist der Saxophonist demnächst wieder live zu erleben. Das ist seine kreative Keimzelle. Hier kann er seinen hymnischen, durchdringenden Sound voll entfalten.

Jan Garbareks größter Aufreger

2006 kam es zum Streit zwischen Jan Garbarek und der Internet-Videoplattform "YouTube". Der Musiker schrieb dem Unternehmen, dass mindestens 30 Videos von ihm online zu sehen waren, und er das nicht genehmigt hatte. Darauf ging es in einem Briefwechseln hin und her - und darum, ob er nun wirklich Jan Garbarek sei und dass es nicht möglich wäre die Videos zu löschen, weil ja vielleicht andere Urheberrechte an diesen Videos hätten. Die Süddeutsche Zeitung hatte die Briefe und die Antworten damals veröffentlicht.

Hintergrund: Im Jahr 2009 führte Ulrich Habersetzer aus der Jazz-Redaktion von BR-KLASSIK mit Jan Garbarek ein fast zweistündiges Interview. Aus diesem stammen die hier zusammengestellten Informationen.

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