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Zum Tod von John Abercrombie Ein Meister der lyrischen Töne

Ganz weit vorne im Alphabet und ganz weit oben in der Weltrangliste des Gitarrenjazz - dort wird John Abercrombie auch über seinen Tod im Alter von 72 Jahren hinaus zu finden sein. Sein melodiöser, zeitlos schöner Stil hat Generationen nachfolgender E-Gitarristen geprägt.

Jazzgitarrist John Abercrombie | Bildquelle: picture alliance/Heritage Images

Bildquelle: picture alliance/Heritage Images

"Timeless" hieß eine der ersten Platten, die John Abercrombie als Bandleader herausbrachte. Das war 1974, und der Titel beschreibt sehr treffend die Qualität des zeitlos schönen Spiels, das er damals, in den frühen Jahren seiner Laufbahn, schon entfaltet hatte. Es war luftig und doch im richtigen Moment zupackend, auf immer wieder überraschende Weise unwahrscheinlich melodiös und harmonisch fein abgestimmt auf seine Mitspieler. John Abercrombies Stil, mit wohlgerundetem Ton samt geschmackvoller Hallschleife, hat die Klangästhetik von Generationen nachfolgender E-Gitarristen geprägt. Er selbst nannte Wes Montgomery und Jim Hall, dessen Aufnahmen mit Sonny Rollins ihn als jungen Mann schon begeistert hatten, als prägende Einflüsse.

Liebe zu Transparenz und klaren Strukturen

John Abercrombie wuchs in Greenwich, Connecticut, auf und brachte sich das Gitarrenspiel selbst bei. Nach der High School ging er ans Berklee College of Music in Boston und im Anschluss noch an die Texas State University. 1969 zog er nach New York und etablierte sich schnell als wichtiger Session- und Studiomusiker. In den ersten Jahren machte er sich in der Band "Dreams" von Billy Cobham und bei den Brecker Brothers als Jazzrocker mit lyrischer Note einen Namen. Gil Evans, Gato Barbieri und Enrico Rava gehörten zu seinen frühen Weggefährten. 1975 gründete John Abercrombie dann mit Bassist Dave Holland und Schlagzeuger Jack DeJohnette die legendäre Band "Gateway". In den 80er Jahren experimentierte er auch mit dem Gitarrensynthesizer, spielte lauter und abgefahrener, um dann doch zu den leiseren Tönen zurückzukehren, zu der von ihm geliebten Transparenz, den klaren Strukturen und den subtilen Glanzleistungen seiner komplexen Rhythmusarbeit.

Freundliches Wesen und trockener Humor

Seine vielen musikalischen Weggefährten, darunter Kenny Wheeler, Joe Lovano, Mark Feldman, Marc Johnson, Drew Gress, Joey Baron und Marc Copland, liebten die poetische Natur seines Spiels, seine umgängliche Art und seinen trockenen Humor. "Up and Coming" heißt die letzte CD, die von John Abercrombies Quartett erschienen ist. Damit ist dem Gitarrist und Komponist ein weiterer moderner Klassiker gelungen, aus dem die Wärme seines freundlichen Wesens klingt, und man wünschte sich einfach immer noch mehr von diesem Meister der sensiblen Töne, der am 22. August in New York gestorben ist.

Sendung: Jazztime am 24. August 2017, 23.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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