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90. Geburtstag von John Coltrane Das Licht, dem du folgen musst

Keiner spielte intensiver als er: Saxophonist John Coltrane. Am 23. September 1926 in Hamlet, North Carolina, geboren, wurde er nur 40 Jahre alt, veränderte aber den Klang und die Wahrnehmung des Jazz für immer. Sein Sohn Ravi Coltrane spielt ebenfalls Saxophon - im BR-KLASSIK-Interview erklärt er, warum sein Vater für ihn ein Universalidol ist - in einer Reihe mit den Beatles oder Mozart.

John Coltrane | Bildquelle: www.johncoltrane.com

Bildquelle: www.johncoltrane.com

Man erkennt die Züge in seinem Gesicht: Dieser leicht versonnene Blick, festgehalten auf Plattencovers, Fotos, in Filmen. Ravi Coltrane ist der Sohn des bedeutendsten Saxophonisten des Jazz. Was für ein Erbe für jemanden, der sich entschließt, selbst mit dem Saxophon Karriere zu machen. Erst langsam nähern wir uns im Gespräch diesem Thema. Ravi Coltrane will und soll als eigenständiger Musiker wahrgenommen werden. Seine Mutter Alice, John Coltranes zweite Frau, prägte ihn anfangs musikalisch viel mehr. Schließlich ist es dann Ravi selbst, der auf seinen Vater zu sprechen kommt.

Saxophonist Ravi Coltrane | Bildquelle: Michael Weintrob Ravi Coltrane | Bildquelle: Michael Weintrob

BR-KLASSIK: Ravi Coltrane, haben Sie die Musik ihres Vaters besonders eingehend studiert?

Ravi Coltrane: Ich bin Saxophonist - jeder Saxophonist muss das tun! Seine Musik ist die Quelle, der Generator, der Anschub. Wenn es diese Musik nicht gäbe, würde ich keine Musik machen. Diese Musik findet dich, oder du findest sie, ich bin mir nicht ganz sicher, wie herum es läuft. Du verbindest dich mit ihr, du umarmst sie, und du realisierst: Das ist das Licht, dem du folgen musst - das gilt für ganz viele Saxophonisten, nicht nur für mich und nicht nur, weil ich sein Sohn bin. Seine Musik ist wie ein Ruf: Es ist Zeit aufzustehen und daran zu denken, wie man den Weg in die Zukunft beschreiten kann. Das macht seine Musik mit sehr vielen Menschen, ich bin da keine Ausnahme.

BR-KLASSIK: Spüren Sie eine besondere Verbindung zu Ihrem Vater, wenn Sie seine Musik spielen?

Ravi Coltrane: Nein, ich spiele seine Musik nicht, weil ich der Sohn von John Coltrane bin. Ich mache das, weil ich John Coltranes Musik liebe, genau wie ich die Musik von Charlie Parker und Thelonious Monk liebe, und wie ich die Musik von Wayne Shorter, Joe Henderson oder Sonny Rollins liebe, die Beatles, Strawinsky und Bartók, Stevie Wonder und James Brown. Da ist für mich kein Unterschied zwischen John Coltrane oder Bach oder Mozart. Das ist alles großartige Musik. Es geht nur um die Musik und die Liebe zu ihr.

BR-KLASSIK: Können Sie sich an den Moment erinnern, als sie realisierten, dass Ihre Eltern Jazzlegenden sind?

Ravi Coltrane: Das ging eher fließend. Ich wusste, dass meine Eltern Musiker waren. Mein Vater starb, da war ich sehr jung und ich habe keine persönlichen Erinnerungen an ihn, ich war zwei Jahre alt. Meine Mutter hat seine die Vergangenheit etwas im Geheimen gehalten. Wir führten ein ziemlich gewöhnliches Leben und ich hatte keine Vorstellung davon, wer meine Eltern für die Jazzszene waren. Ich hatte Glück in dieser Hinsicht. Ich wurde nicht beeinflusst von irgendeiner verzerrten Idee, wer meine Eltern waren und was ich zu sein hätte.

BR-KLASSIK: Haben Sie dennoch manchmal unter dem berühmten Namen Ihrer Eltern gelitten?

Saxophonist Ravi Coltrane | Bildquelle: Michael Weintrob Ravi Coltrane | Bildquelle: Michael Weintrob Ravi Coltrane: Ich wuchs in den 70er Jahren auf, da waren die Namen John und Alice Coltrane nicht so präsent. Alle zwei oder drei Jahre sagte mal jemand: "Oh Coltrane, den Namen kenne ich". Es war nicht so wie heute - heute sind die beiden Ikonen. Natürlich, die Leute in den Jazzkreisen kannten den Namen, aber in Los Angeles, wo wir zu dieser Zeit lebten, gab es die fast nicht. Wäre ich in New York aufgewachsen, wäre es vielleicht ganz anders gewesen. Also nein, ich war nicht beeinträchtigt durch meine Eltern oder das Gewicht ihres Namens. Ich war ein ganz normales Kind. Meine Mutter betrieb ein Ashram (indisches Meditationszentrum) und wir machten als Kinder Yoga.

BR-KLASSIK: Was ist das Wichtigste, was Sie von der Musik, vom Stil Ihres Vaters lernen konnten?

Ravi Coltrane: Wenn du Jazzmusiker bist, musst du so authentisch wie möglich sein, was immer das auch für jeden einzelnen bedeutet. Wenn du das nicht immer versuchst, machst du keine Fortschritte. Jazz muss diesen ganz persönlichen Ausdruck haben - das ist zumindest meine Meinung.

Das Interview führte für BR-KLASSIK Ulrich Habersetzer.

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