Im Allgäu lässt sich dieser Tage der Osterausflug mit dem Genuss Alter Musik verbinden. Beim Probenbesuch im Vorfeld gibt es zwar keinen Dresscode, aber warme Kleidung ist trotzdem angeraten.
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Eiskalt ist es in der Kirche des Füssener Benediktinerklosters St. Mang. Im Kirchenschiff herrscht an diesem Nachmittag eine eigentümliche Mischung an Spannung und Betriebsamkeit. Die Probe für das Füssener Osterspiel hat grade begonnen. Links und rechts der großen Bühne, die eigens dafür eingebaut wurde, haben zwei Engel Stellung bezogen und scheinen über das Geschehen zu wachen. Das Füssener oder Fiassar Osterspiel, wie es im Dialekt heißt, stammt aus dem Jahr 1450 und kam hier wohl bis zur Säkularisation jedes Jahr zu Ostern auf die Bühne. Zum ersten Mal wiederaufgeführt wurde es vor drei Jahren unter erschwerten Pandemiebedingungen. Umso mehr freut es Initiator Richard Hartmann, dass das Osterspiel heuer wieder auf die Bühne kommt. Dass das mittelalterliche Mysterienspiel sehr nah am Originalwortlaut und zudem am Originalschauplatz aufgeführt wird, gehört für Richard Hartmann zu den Besonderheiten: "Das ist einzigartig in ganz Europa."
In den Seitengängen von Sankt Mang sieht man eine mittelalterliche Edeldame vorbeihuschen, auch ein Bischof und sogar Kaiser Maximilian in vollem Ornat gibt sich die Ehre. Es sind die Schauspieler, die meisten davon Laien, die auf ihren Einsatz warten. Touristen, die es auf ihrer Entdeckungstour durch die Füssener Altstadt in die Kirche gespült hat, bleiben interessiert stehen, einige setzen sich in die Kirchenbänke und lauschen. "Wir wissen gar nicht, um was es da genau geht. Wir sind nur auf der Durchreise", sagt ein französischer Tourist. "Aber die Musik ist toll." Im rechten Seitenschiff hat sich das Ensemble um die musikalische Leiterin Sabine Lutzenberger aufgebaut. Sie hatte freie Hand bei der Auswahl der Musikerinnen und Musiker und hat sich ein Ensemble zusammengestellt, das gut aufeinander eingespielt ist.
Einstimmigkeit braucht ein Team, das sich gut kennt. Wenn man an die Klostertradition denkt, haben die Leute ja jeden Tag zu den Gebetsstunden zusammengesungen. Tag aus Tag ein, Jahr aus Jahr ein, ein Leben lang.
Sopranistin Sabine Lutzenberger und Lautenist Marc Lewon bei der Probe | Bildquelle: BR
Die einstimmigen Gesänge des Osterspiels haben die Musikerinnen und Musiker mit Mehrstimmigkeit aus der Füssener Musikgeschichte angereichert. So erklingt ganz am Ende zum Beispiel "Christ ist erstanden", in einem Satz von Heinrich Isaac, der mit der kaiserlichen Hofkapelle oft in Füssen war. Die Texte der einstimmigen Gesänge des Osterspiels sind zum Teil auf Lateinisch, zum Teil in der Volkssprache verfasst. In diesem Fall ist das der ostschwäbische Dialekt in seiner mittelalterlichen Form. Für den gebürtigen Füssener Richard Hartmann klingt das sehr vertraut. "Wenn ich die Worte im Füssener Dialekt betone, dann passt das genau." Und auch der Augsburger Sprachwissenschaftler Klaus Wolf, mit dem er den mittelalterlichen Schatz gehoben hat, war die Zusammenarbeit ein Aha-Erlebnis: "In eurem Dialekt ist noch ganz viel von dem mittelalterlichen Ostschwäbisch drin, hat er mir gesagt. Wir sind hier eine kleine Sprachinsel." Gemeinsam mit Klaus Wolf und der Regisseurin Miriam Westerdoll hat Richard Hartmann das Spiel behutsam modernisiert. Dazu trägt auch die Musik bei, wenn die mittelalterlichen Instrumente wie Fidel und Laute auf einmal über der Melodie von "Gangsta's Paradise" improvisieren. Einige der originalen Melodien und Liedtexte kannte Sabine Lutzenberger von anderen mittelalterlichen Osterspielen aus Brixen, Sterzing oder Augsburg. Die Musik in der Füssener Version, besonders die Stücke der drei Marien, stechen da heraus: "Sie sind sehr intensiv, sehr dramatisch, mit vielen Verzierungsnoten." Ein durch und durch sehens- und hörenswertes Schauspiel also, nur warm anziehen sollte man sich dafür!
Sendungsthema aus Tafel-Confect am 20.4.2025, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK