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Kostprobe | 30.05.2021 Barocke Paganinis

Heinrich Ignaz Franz Biber war der Paganini des Barock. Meret Lüthi und Sabine Stoffer spielen seine Partiten der Sammlung Harmonia Artificioso-Ariosa mustergültig und mit viel Herzblut. Eine bravouröse Interpretation mit dem Zeug zur Referenzaufnahme.

Heinrich Ignaz Franz Biber: Harmonia Artificioso-Ariosa | Bildquelle: © deutsche harmonia mundi

Bildquelle: © deutsche harmonia mundi

Der Salzburger Hofkapellmeister Heinrich Ignaz Franz Biber war so etwas wie der Paganini seiner Zeit. Nichts war diesem Violinvirtuosen zu schwierig. Biber beherrschte das im Barock seltene Spiel bis in die siebte Lage. Und seine Kompositionen strotzen vor spieltechnischen Schwierigkeiten wie Doppelgriffen, Dreiklangbrechungen, Viererakkorden und Skordatur, dem Umstimmen der Geige, um neue Klänge zu erzeugen.

Klangfeuerwerk

Bis heute am bekanntesten sind Bibers virtuosen Rosenkranzsonaten, gewissermaßen barocke Programmmusik im Geiste des Katholizismus. Seine anderen Violinwerke fallen dahinter in der Popularität weit zurück, nicht aber in ihrer Qualität. 1696 etwa, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, veröffentlicht Biber seine Harmonia Artificioso-Ariosa. Eine Sammlung mit sieben Partiten für jeweils zwei skordierte Geigen und Generalbassbegleitung. Übersetzt bedeutet der Titel so viel wie Kunstreich-melodiöser Wohlklang. Denn die beiden Violinen erzeugen ein Klangfeuerwerk, das komplexe artifizielle und gesanglich ariose Anteile zu einem harmonischen Ganzen vereint.

Himmel und Hölle

Himmlisch schöne Musik, aber höllisch schwer zu spielen. Das ist wohl auch der Grund, warum die Partiten so selten aufgeführt werden. Es braucht ebenso beherzte wie virtuose Spezialisten dafür. So wie die Geigerin Meret Lüthi aus Bern, die in ihrem hervorragenden Originalklangensemble Les Passions de l'Âme mit Sabine Stoffer eine ihr ebenbürtige Kollegin hat. Wie die beiden Solistinnen sich ergänzen, mal kunstfertig konkurrieren, mal harmonisch vereinen und von Klangwolke zu Klangwolke schweben, ist einfach großartig.

Neue Referenzaufnahme?

Dargeboten wird die Klangvielfalt dieser Partiten auf Originalinstrumenten des Tiroler Geigenbauers Jacobus-Stainer, die Heinrich Ignaz Franz Biber selbst am liebsten spielte. Meret Lüthi und Sabine Stoffer loten mit mal brillantem, mal warmherzigem Ton, vor allem aber mit viel Leidenschaft und Herzblut die Facetten der Partituren aus. Damit sind sie nah dran am möglichen Originalklang, nehmen sich aber gleichzeitig die Freiheit, sich mitunter auch von Hackbrett und Kartal begleiten zu lassen. Diese Doppel-CD der Harmonia Artificioso-Ariosa könnte sogar die etwa 20 Jahre alte Aufnahme mit Reinhard Goebel, Stephan Schardt und der Musica Antiqua Köln als Referenzaufnahme ablösen. Das Zeug dazu hat sie jedenfalls.

Heinrich Ignaz Franz Biber: Harmonia Artificioso-Ariosa

Meret Lüthi, Sabine Stoffer
Les Passions de l'Âme
Label: deutsche harmonia mundi

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 30. Mai 2021, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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