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Kostprobe | 30.04.2023 Engelsgesang für den König

Carlos Patiño, ab 1634 Hofkomponist des spanischen Königs Philipp des IV., war ein fantasievoller und äußerst produktiver Künstler, dessen Werke leider fast vergessen sind. Nun entdecken ihn das Vokalensemble "La Grande Chapelle" und sein Leiter Albert Recasens neu.

Carlos Patiño - Spanische Vokalmusik | Bildquelle: © Lauda

Bildquelle: © Lauda

Lissabon, 1. November 1775: Eine Jahrhundert-Katastrophe riss viele Tausende von Menschen in den Tod, sorgte für grauenhafte Verwüstungen und vernichtete unersetzbare Kulturgüter. Was aber, wenn durch eine glückliche Fügung die Musikbibliothek des portugiesischen Königs mit zahllosen Autografen und Musikdrucken nicht fast vollständig zerstört worden wäre? In diesem Fall wüssten wir mehr über einen der faszinierendsten spanischen Komponisten des Frühbarock. Carlos Patiño, geboren 1600, war äußerst produktiv. Viele seiner Werke fielen dem Desaster von Lissabon zum Opfer. Einige jedoch überdauerten in anderen Archiven. Und so können wir heute mit viel Vergnügen Patiño neu entdecken.

Ein komponierender Geistlicher

Zunächst ähnelt der Lebensweg Carlos Patiños dem vieler Musiker Spaniens zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Er erhielt eine solide Ausbildung als Chorknabe an der Kathedrale von Sevilla, wo er auch seine erste Stelle als Chorleiter antrat. Ein persönlicher Schicksalsschlag bewog ihn dann aber zu einer Laufbahn als Kleriker, der freilich seine Ambitionen als Komponist niemals aufgab. Mehr noch: Er legte eine Traumkarriere hin. Denn er wurde Chef der königlichen Kapelle Philipps des IV. von Spanien.

Der Monarch schätzte Patiño so sehr, dass er dessen Ansuchen, alt und geschwächt nach immerhin fast 30 Jahren treuer Dienste in Ruhestand gehen zu dürfen, rundheraus ablehnte. Für den spanischen Hof arbeitete Patiño als fleißiger Allrounder, der sowohl klangvollen Prunk für das große sakrale Zeremoniell wie auch delikate weltliche Gebrauchsmusik lieferte. Eine neue Aufnahme bringt eine gelungene Zusammenstellung von Carlos Patiños Vokalwerken. Die meisten von ihnen haben weltliche Textvorlagen, preisen die Wunder der Natur, den Frühling, aber auch die Licht- und Schattenseiten der Liebe.

Elegant und federleicht

La Grande Chapelle unter der Leitung von Albert Recasens singt in Mini-Besetzung mit nur fünf Sängerinnen und Sängern elegant und federleicht. Fraglich, ob der spanische König seinerzeit die zarten Kreationen aus der Feder seines Kapellmeisters je so betörend schön, ja geradezu engelhaft gehört hat.

Mein persönlicher Veranstaltungstipp für den nächsten freien Nachmittag oder Abend: Ab aufs Sofa, Kopfhörer auf, Augen zu und dann sanft und wiegend hineingleiten in die musikalischen Traumwelten von Carlos Patiño.

Música vocal en castellano

Carlos Patiño
La Grande Chapelle
Albert Recasens (Leitung)
Label: Lauda

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 30. April 2023, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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