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Kostprobe | 16.01.2022 Von Joseph Haydn überflügelt

Gregor Joseph Werner war der Amtsvorgänger Joseph Haydns in Eisenstadt. Durch seine Genialität stellte er nicht nur viele andere Komponisten, sondern auch seinen älteren Kollegen Werner in den Schatten. Nun gibt eine neue Aufnahme Gelegenheit dazu, Gregor Joseph Werner näher kennenzulernen.

CD-Cover: Gregor Joseph Werner: Salve Reginas & Pastorellas | Bildquelle: © audite

Bildquelle: © audite

Keine Frage: Vieles war vor 250 Jahren ganz anders als heute. Und doch gibt es Dinge, die sich kein bisschen verändert haben. Fast 40 Jahre lang war jemand in seinem Beruf geschätzt und erfolgreich. Dann kommt ein Nachfolger. Und der ist nicht nur gut, sondern der absolute Überflieger. Mit einem Schlag ist der verdienstvolle Vorgänger vergessen, in der Versenkung verschwunden. Kein Hahn kräht mehr nach ihm.

Hofkapellmeister bei Fürst Esterházy

Ein solches Schicksal traf auch Gregor Joseph Werner. Mit 35 Jahren wurde er Hofkapellmeister beim Fürsten Esterházy in Eisenstadt. Damals eine absolute Top-Position. Denn das Stammschloss der Esterházys war eines der wichtigsten kulturellen Zentren des Habsburgerreichs. Genau deswegen verschlug es 33 Jahre später auch den Nachfolger Gregor Joseph Werners dorthin: Ab 1761 war Joseph Haydn Hofkapellmeister bei Fürst Nikolaus Esterházy, der sich damit einen Superstar an seinen Hof holte.

Geistliche Werke von Gregor Joseph Werner

Das norddeutsche Barockensemble la festa musicale und vier exzellente Vokalsolisten haben unter Leitung von Lajos Rovatkay geistliche Werke von Gregor Joseph Werner aufgenommen. Alle beruhen sie auf dem mittelalterlichen Text "Salve regina" und verherrlichen Maria, die Himmelskönigin. Schöne Beispiele für Sakralkompositionen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind das. Sie zeigen einen versierten Komponisten, der deutlich hörbar im Spätbarock wurzelt und sich dann aber dem neu aufkommenden galanten Stil der Frühklassik zuwandte. la festa musicale musiziert nach allen Regeln historischer Aufführungspraxis, entführt schwungvoll in die Zeit von Puder und Perücken und lässt die zuweilen dann doch etwas konventionell gestrickten Partituren Werners farbenreich aufleuchten.

Beinahe am spannendsten sind dann die letzten drei Minuten der Aufnahme. Als Schlusspunkt singen die vier Vokalsolisten nämlich ein kurzes A-capella-Stück, in dem sich unerwartet eine komplett andere Welt auftut: Gregor Joseph Werner ist hier nicht der höfisch-galante Meister des 18. Jahrhunderts, sondern ein gelehriger Schüler des großen Renaissance-Komponisten Palestrina mit seiner strengen, makellos ausgearbeiteten Vokalpolyphonie.

Motette statt Menuett sozusagen. Und ein schlagender Beweis dafür, wie selbstverständlich und mit welcher handwerklichen Sicherheit ein Komponist des 18. Jahrhunderts mit tradierten Stilen und Techniken jonglieren konnte.

Gregor Joseph Werner: Salve Reginas & Pastorellas

Gregor Joseph Werner
Magdalene Harer, Sopran
Johannes Euler, Countertenor
Georg Poplutz, Tenor
Markus Flaig, Bassbariton
la festa musicale, Lajos Rovatkay
Label: audite

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 16. Januar 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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