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Codex Reina Musik einer turbulenten Zeit

Liebeslieder, Balladen, Madrigale – der Codex Reina, geschrieben zwischen 1400 und 1430, heute in der Französischen Nationalbibliothek, ist ein bedeutendes Zeugnis der Umbruchzeit vom Spätmittelalter zur Frührenaissance.

Codex Reina | Bildquelle: © gemeinfrei

Bildquelle: © gemeinfrei

Das Stichwort vom 5. Mai 2019

Codex Reina

So kann man sich auch einen Namen machen: Ein gewisser Herr Reina aus Mailand besaß eine wertvolle Musikhandschrift, die er 1834 zum Verkauf anbot. Bis dahin wusste die Öffentlichkeit nichts von der Existenz des Manuskripts. Als die Forschung seine Bedeutung für die Musikgeschichte erkannte, war sein Name schon so fest mit der Handschrift verknüpft, dass sie bis heute unter der Bezeichnung Codex Reina bekannt ist.

MUSIK AUS 90 JAHREN

Der Codex Reina ist ein Sammelsurium aus verschiedenen Lagen, sechs oder sieben Schreiber versammelten darin Kompositionen, die zwischen 1340 und 1430 entstanden sind. Auch die stilistische Vielfalt ist bemerkenswert: Neben Musik des italienischen Trecento, des 14. Jahrhunderts, etwa von Jacopo da Bologna oder Francesco Landini, stehen Werke von Guillaume de Machaut, der zentralen Figur der französischen Ars nova. Die Spanne reicht bis zur franko-flämischen Vokalpolyphonie eines Guillaume Dufay.

TURBULENTE ZEIT

Das italienische Repertoire, der weitaus größte Teil der Handschrift, stammt aus einer turbulenten Zeit. Frankreich und das Kaiserreich kämpften um die Vorherrschaft in Europa. Durch Italien zogen marodierende Söldnertruppen, die Pest grassierte, Hungersnöte rafften weite Teile der Bevölkerung dahin. Trotz aller Wirren umgaben sich die mächtigen Stadtfürsten Oberitaliens mit großem Pomp in Kunst und Musik. An den Höfen in Mailand, Bologna oder Florenz erblühte die volkssprachliche Lyrik - Dichter wie Dante Alighieri erhoben das Italienische zur Literatursprache. Diese ambitionierte Lyrik war die Grundlage für die weltliche Musik des Trecento. Der Codex Reina - Panorama eines ebenso grausamen wie kultivierten Jahrhunderts, einer Epoche, die begeistert antikes Denken aufgriff, ihren Blick vom Jenseits auf das Diesseits richtete und so der Renaissance den Weg bereitete.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 5. Mai 2019, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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