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Gebrüder Kuijken Ein musikalisch-genetischer Glücksfall

Geschwister können die ärgsten Feinde oder die besten Freunde sein. Die drei Kuijken-Brüder Wieland, Sigiswald und Barthold sind musikalische Weggefährten geworden – und haben nicht nur die belgische Alte-Musik-Szene geprägt.

Sigiswald Kuijken | 1996 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

"Da gibt es so Sachen, die man eigentlich selber nie fassen kann: Wie kommt das, dass von sechs Söhnen die Hälfte diese musikalische Begabung hatte, die eigentlich irgendwo nicht zu stürzen war. Und das haben unsere Eltern glücklicherweise sofort eingesehen, und sie haben auch nie versucht, da einen Gegenstrom zu geben."

Das war eine weise Entscheidung: Denn nicht nur wurden aus den Brüdern Wieland, Sigiswald - der hier über die Familie sinniert - und Barthold Kuijken ausgezeichnete Solisten auf Gambe oder Cello, Barockgeige und Traversflöte, sondern alle drei spielten auch eine wichtige Rolle als Pioniere der Alten Musik-Bewegung.

REINGESTOLPERT IN DIE WELT DER HISTORISCHEN AUFFÜHRUNGSPRAXIS

Die Anfänge ihres Interesses, so erinnert sich Sigiswald Kuijken, gingen auf einen Fiedelbaukurs zurück, den Wieland 1951 besuchte:

"Wo dann diese Instrumente kamen, das erste war so ein kleines mittelalterliches Fiedelchen, das war eigentlich eine Diskantgambe. Aber Tatsache war, dass dieses Instrument mich und Wieland auch sehr angesprochen hat, und ein Jahr später haben sie zwei andere dazu gemacht, und dann haben wir angefangen, viel zusammen zu spielen - als Knaben einfach. Ohne genau zu wissen, was wir taten. Und dann hatten sie ein bisschen Musik mitgebracht, das war Josquin und Lassus - und wir waren völlig verkauft."

Dass sie sich da mit historischer Aufführungspraxis beschäftigten, wussten die Brüder damals nicht.

DOPPELLEBEN?

Erst, als sie am Konservatorium in Brügge angemeldet wurden, stellten sie fest, dass man Fiedel und Gambe gar nicht studieren konnte. So lernte Wieland da also Klavier und Cello, der sechs Jahre jüngere Sigiswald moderne Geige, der noch einmal fünf Jahre jüngere Barthold Quer- und Blockflöte. Offiziell.

"Wir haben völlig doppelte Buchhaltung gehalten, all diese Jahre hindurch. Denn alles, was wir dort gelernt haben im offiziellen Musikunterricht, war so eine andere Welt, als das, was wir entdeckten. Und wir wollten uns das nicht abnehmen lassen, uns nicht beeinflussen lassen. Wir sind sturköpfig vielleicht, aber das hat sich gelohnt."

LA PETITE BANDE

Denn nach und nach fassten alle drei Brüder Fuß in der Alte-Musik-Szene in Belgien und darüber hinaus, prägten sie mit, und musizierten in den verschiedensten Formationen. 1972 gründete Sigiswalds "La petite bande" - heute eines der bekanntesten Alte Musik Ensembles in Europa - in dem natürlich auch seine Brüder beteiligt waren und sind. Doch all die Jahre spielten sie auch weiter als Kuijken-Ensemble - manchmal mit Gastmusikern wie Gustav Leonhardt oder René Jacobs, manchmal inzwischen mit Kuijkens der jüngeren Generationen - doch oft auch nur als Kuijken-Trio. Wie früher eben, meint Sigiswald:

"Da bleibt ein Gefühl des Nachhausekommens. Das ist, jetzt wo wir alle älter geworden sind, eine Erinnerung an andere Jahre, als eine Hauptsache darin lag, das ist jetzt nicht mehr so. Aber es bleibt schön."

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 5. Februar 2012, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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