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Guillaume de Machaut Ein Avantgardist des Mittelalters

Er war nicht nur der erste, der die einzelnen musikalischen Teile einer Messe als Zyklus vertonte. Er tat dies auch mit beispielloser Kühnheit: Im Agnus Dei seiner "Messe de Nostre Dame" werden Dissonanzen zuhauf, völlig selbstverständlich und so geschmeidig eingesetzt, das einem vor Staunen der Mund offen bleibt. Das Werk ist ein Meilenstein der Musikgeschichte, geschaffen von einem Avantgardisten des Mittelalters: Guillaume de Machaut, französischer Komponist und Dichter.

Abbildung von Guillaume de Machaut in "Poets and musicans" | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Guillaume de Machaut wurde um 1300 in der französischen Champagne geboren. Vermutlich verdankt er seinen Namen dem dort gelegenen Ardennendorf Machaut. Anspielungen in seinen Gedichten deuten auf eine bürgerliche Herkunft hin, wenngleich er in den Genuss guter Bildung kam. Dreiundzwanzig Jahre war er Sekretär von König Johann von Böhmen, an dessen Reisen, Feldzügen und Zerstreuungen er teilnahm und von dem er reich belohnt wurde. 1334 übernahm er eine Präbende als Domherr in Notre Dame in Reims und konnte sich von nun an bis zu seinem Tod 1377 seine Auftraggeber aussuchen.

In der Tradition der Troubadours

Mit Guillaume de Machaut löste sich zum ersten Mal die Autorität eines Komponisten aus dem Geist der handwerklich klerikalen Überlieferung, die bis dahin vorgeherrscht hat. Machaut sah sich in der Tradition der Troubadours und ist hauptsächlich aufgrund seiner Spruchdichtung, den sogenannten "Dits" bekannt. In über 40.000 Versen kommentierte er das politische Geschehen und das Leben des Hochadels. In seinen Kompositionen überwiegen weltliche Stücke, trotz seiner späteren Anstellung als Kanoniker in Reims. Neben 23 mehrstimmigen Motetten sind vor allem einstimmige Lieder aus seiner Feder überliefert: 42 Balladen, 21 Rondeaus, 34 Virelais und 33 Lais.

Hauptvertreter der Ars Nova

Guillaume de Machaut verband die Lyrik und die einstimmigen weltlichen Lieder mit der mehrstimmigen Musizierpraxis seinerzeit und erweiterte die Ausdrucksmöglichkeiten in Bezug auf Melodik, Harmonik und Rhythmik. Dies machte ihn zu einer zentralen Figur der Musik des 14. Jahrhunderts. Zusammen mit Philippe de Vitry war er der Hauptvertreter der Ars Nova. Ihre komplexen Konstruktionen vermitteln Freude am Gestalten am kreativen und individuellen Ausdruck. Solch eine Freude, dass es dem Papst zu viel wurde. Mit der Bulle "Docta Sanctorum Patrum" verbot Johannes XXII. die Aufführung dieser Musik in der Kirche unter Strafandrohung.

Sendungsthema aus "Forum Alte Musik" vom 21. März 2020, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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