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Micrologus Grundlegende musiktheoretische Schrift des Mittelalters

Wie notiert man Musik? Wie lehrt man Musik? Im 11. Jahrhundert beschäftigt sich ein Benediktinermönch mit diesen Fragen und legt schließlich eines der bedeutendsten Werke der frühen Musiktheorie vor.

Noten-Blatt | Bildquelle: colourbox.com

Bildquelle: colourbox.com

Der Benediktinermönch Guido von Arezzo schrieb den Micrologus (Vollständiger Titel: "Micrologus (Guidonis) de disciplina artis musicae" – kurze Abhandlung Guidos über die Regeln der musikalischen Kunst) vermutlich zwischen 1026 und 1032 nieder. Im Vorwort berichtet Guido, dass er für den Musikunterricht der Sängerknaben an der Kathedrale von Arezzo eine eigene Methode entwickelt habe, die sehr schnell Erfolg zeigte.

LEHRWERK FÜR DIE SÄNGERAUSBILDUNG

"Dabei kam mir die göttliche Gnade zu Hilfe, sodass einige unter den Schülern mit Anwendung des Monochordes und bei tüchtiger Übung im Gebrauch unserer Noten noch vor Ablauf eines Monats im Stande waren, nie gesehene und nie gehörte Gesänge auf den ersten Blick mit einer solchen Sicherheit abzusingen, dass sie den meisten ein Gegenstand höchster Bewunderung wurden."

Um seine erfolgreiche Methode öffentlich zu machen, verfasste Guido den Micrologus als eine Art Lehrplan, der mit den Grundlagen der Sängerausbildung beginnt. So erklärt Guido zunächst mit Hilfe des Monochordes (einer aufgespannten Saite), wie sich Töne und Intervalle aus bestimmten Teilungsverhältnissen der Saite ergeben. Er lehrt die Tonbuchstaben, ihre Zusammenfassung in Skalen und die Tonarten. 

DIE HOHE KUNST DER MEHRSTIMMIGKEIT

Schließlich beschäftigt er sich mit der höchsten Kunst des Gesangs, dem mehrstimmigen Organum, bei dem ein vorgegebener Choral von einer oder zwei anderen Stimmen nach bestimmten satztechnischen Regeln begleitet wird. 

INTERESSE BEIM PAPST

Guidos neue Lehrmethoden sprachen sich schnell herum. So berief ihn Papst Johannes XIX. zu sich nach Rom. Er sollte dort dem Klerus seine Schriften erläutern und die Vorteile seiner Unterrichtsreform darlegen. Bald danach zog er sich ins Kloster zurück. Sein Micrologus wurde zu einer der beliebtesten musikalischen Lehrschriften des Mittelalters. Der Text ist in über 70 Handschriften vom 11. bis zum 15. Jahrhundert überliefert.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 3. Oktober 2010, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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