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Stichwort - Saint Martial Mittelalterliches Zentrum früher Mehrstimmigkeit

Statue von Saint Martial in Limoges -Frankreich | Bildquelle: Fonquebure

Bildquelle: Fonquebure

Das Stichwort vom 21. Februar 2016

Saint Martial

Der Heilige Martialis lebte im 3. Jahrhundert nach Christus und soll der erste Bischof von Limoges, einer Stadt im französischen Limousin gewesen sein. Auf seiner Grabstätte entstand im 9. Jahrhundert die Benediktinerabtei Saint-Martial, die jedoch während der französischen Revolution zerstört wurde. Eine musikalische Blütezeit erlebte die Abtei während des Hochmittelalters.

Über 200 Musikhandschriften

Von dieser Blütezeit zeugen die zahlreichen Musikhandschriften, die heute größtenteils in der Bibliothèque Nationale in Paris überliefert sind. Die hohe Anzahl der Saint-Martial-Bestände ist wohl auf die Sammelleidenschaft von Bernhard Itier zurückzuführen. Im 12. und 13. Jahrhundert war er Bibliothekar des Klosters. Viele der Stücke sind zwei- bis vierstimmig angelegt und machen Saint Martial zu einem frühen Zentrum mehrstimmigen Singens. Über 200 mehr oder minder direkt mit der Abtei in Zusammenhang stehende Musikhandschriften sind uns heute überliefert. Im weiteren Sinne zählen dazu auch Handschriften wie der berühmte Codex Calixtinus, der liturgische Gesänge zur Verehrung des Santiago de Compostela enthält.

Aquitanische Neumen

Den Handschriften gemein ist die Notation der Gesänge in aquitanischen Neumen. Diese Notation stellt die einzelnen Noten als punktförmige Zeichen dar, die eine ungefähre Vorstellung vom Melodieverlauf vermitteln. Da die Tonhöhen aber nicht genau angegeben werden, setzt die Notation eine Vorkenntnis des Sängers von Melodie und Textverteilung voraus.

Frühe Mehrstimmigkeit

Vielfach wurde die Musik, die im Umfeld von Saint-Martial entstanden ist, als Saint-Martial-Schule bezeichnet. Doch wurde dieser Begriff auch kritisiert, weil er auf einen geschlossenen Kreis von Musikern und Komponisten schließen lässt. Dafür ist das Repertoire in Hinblick auf Herkunft und Entstehungszeit zu heterogen. Die klösterliche Musikpflege von Saint-Martial bildet einen Gegenpol zur Pariser Kathedralkunst von Notre-Dame um 1200. Uns öffnet sie ein Fenster in die frühe Mehrstimmigkeit und in die vielseitige Musikkultur des Mittelalters.

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