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Johannes Brahms versenkt Briefe im Rhein „Ach, lieber Johannes, hättest Du es doch nicht so weit kommen lassen.“

Im Jahr 1888 versenkt Johannes Brahms mehrere Päckchen mit Briefen an Clara Schumann im Rhein. Vorausgegangen war - 30 Jahre früher - eine unglückliche Liebesgeschichte zwischen den beiden.

Johannes Brahms. Fotografie von ca. 1866 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Im Herbst 1854 – er ist gerade auf großer Wanderung den Rhein entlang – macht Johannes Brahms Station bei den Schumanns in Düsseldorf: ein Jüngling aus Hamburg, kaum 20 Jahre alt, langes blondes Haar, die Stimme noch hoch. Der Hausherr verfasst einen hymnischen Aufsatz über den jungen Komponisten. Schumann spielt Schach mit Brahms und der – aus bescheidenen Verhältnissen stammend – beginnt bald, wie sein Vorbild großbürgerlich zu rauchen. Er kauft sich eine Pfeife und weiht sie gemeinsam mit seinem Freund, dem Geiger Joseph Joachim, ein. Der ist ebenfalls mit den Schumanns gut bekannt. „Uns beiden wurde sehr schlimm“, berichtet Brahms der hochverehrten Frau. Clara, die den Jüngling nur „dem Robert seinen Johannes“ nennt, ist traurig, als der junge Komponist bald weiterzieht: „Robert liebt ihn. Er findet seine große Freude an ihm, den Menschen und Künstler.“

Es ist wirklich rührend, wenn man diesen Menschen am Klavier sieht mit seinem interessanten, jugendlichen Gesichte, das sich beim Spielen ganz verklärt.
Clara Schumann über den jungen Brahms

Die Katastrophe

Robert und Clara Schumann | Bildquelle: Ernst Burger: "Robert Schumann. Eine Lebenschronik in Bildern und Dokumenten", Mainz 1998 Bildquelle: Ernst Burger: "Robert Schumann. Eine Lebenschronik in Bildern und Dokumenten", Mainz 1998 Schumann hat an einem Wintertag unbemerkt das Haus verlassen. Kaum bekleidet im geblümten Morgenmantel und barfuß in Stiefeln geht er zum Rhein. Schumann wirft den Ehering in den Fluss. Dann springt er in die Tiefe. Es ist Karneval in Düsseldorf, die Straßen sind voller Narren. Fischer ziehen ihn aus dem Rhein. Auf eigenen Wunsch geht Schumann in eine Nervenheilanstalt in Bonn-Endenich. Clara ist schwanger.Nur kurze Zeit nach der Katastrophe mietet Brahms ein kleines Zimmer in Düsseldorf. Bald zieht er in das Haus der Schumanns ein, führt an Roberts Stelle das Haushaltsbuch – und verliebt sich. Clara bringt ihr siebtes Kind auf die Welt: Felix. Kurz darauf geht sie wieder auf Konzertreisen, um für ihre Familie zu sorgen. Brahms bleibt. Er kümmert sich um die Kinder.

"Deine Briefe sind mir wie Küsse"

Brahms besucht Schumann, der zwischen Umnachtung und lichten Momenten dämmert. Die Ärzte erlauben Clara nicht, ihren Mann zu besuchen. Er verlangt nicht, sie zu sehen. Als Clara auf Konzertreisen geht, sehnt Brahms Sie zurück: „Könnten Sie mir nicht jeden Tag einen guten Morgen telegraphieren lassen?“ Brahms scherzt: „Sie müssen mir den Kopf zurechtrücken. Er ist ganz aus dem Leim gegangen.“ Brahms schreibt der „verehrten Frau“, der „teuersten, der innigst geliebten Freundin“ zunehmend vertraulich. Und nachdem die „viel zu schöne, hohe Frau“ endlich das „Du“ erlaubt, schreibt er bald: „Deine Briefe sind mir wie Küsse.“

Das Ende?

Sommer 1856: Schumann ist tot, Clara trauert. Ernüchterung macht sich breit. Die Liebe scheint dem heimlichen Paar abhanden zu kommen. Clara löst den Haushalt auf, bringt ihre Kinder in verschiedenen Städten unter und geht auf Konzertreisen. Brahms zieht nach Detmold und verbringt die Sommer mit Musikerfreunden in Göttingen. Er verliebt sich in die Tochter eines Medizin-Professors, der in seiner Freizeit in einem Laienorchester die Pauke schlägt. Agathe von Siebold heißt sie, ist hübsch, musikalisch und mit schöner Stimme begabt. Brahms widmet ihr bald Liebeslieder, verlobt sich und trägt einen Ring. „Ich liebe dich. Ich muss dich wiedersehen. Aber Fesseln tragen kann ich nicht“, schreibt er an die Liebste. „Schreibe mir, ob ich wiederkommen soll, dich in meine Arme zu schließen, dich zu küssen, dir zu sagen, dass ich dich liebe.“ Agathe gibt Brahms einen Korb. Clara, die eifersüchtig das verliebte Paar in Göttingen beobachtet, schreibt: „Ach, lieber Johannes, hättest du es doch nicht so weit kommen lassen.“

Johannes Brahms | Bildquelle: Christiane Jacobsen (Hrsg.):  "Johannes Brahms: Leben und Werk", Hamburg 1983 Bildquelle: Christiane Jacobsen (Hrsg.): "Johannes Brahms: Leben und Werk", Hamburg 1983 An einem Sommertag, einige Jahre später, taucht Brahms wieder auf. Er bezieht Quartier in Baden-Baden, unweit von Claras Haus, in dem sie sich jeden Sommer mit ihrer Familie trifft. „Wir Kinder hatten Brahms alle sehr gern, aber wir behandelten ihn wie einen, der eben da ist“, erinnert sich Tochter Eugenie an Brahms, den griesgrämigen: eine mürrische Gestalt im abgetragenen Janker. Clara und Johannes musizieren, gehen spazieren, essen gemeinsam Abendbrot. Aber sie finden nicht mehr zusammen. 1888 fordert Clara alle Briefe von Brahms zurück – sie tauschen. Brahms reist an den Rhein und wirft bei einer Dampferfahrt unweit Deidesheim mehrere Päckchen in die Fluten. Als Clara sich daran macht, die übrig gebliebenen zu verbrennen, bringen ihre Töchter sie davon ab. Es bleiben bloß Freundschaftsbriefe aus jenen Jahren, als die Liebe längst verschwunden schien.


Sendung: "Piazza" am 11. August 2018 ab 08:05 in BR-KLASSIK

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