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The Calidore String Quartet "Wir versuchen immer, alles in Bewegung zu halten"

2012 hatten sie Erfolg beim ARD-Musikwettbewerb, am 19. März waren sie für ein BR-KLASSIK-Studiokonzert wieder in München zu Gast. Prokofjew, Golijov, Webern und Mendelssohn: Es ist ein sehr kontrastreiches Programm, das die vier Mitglieder des Calidore String Quartet im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks präsentierten. Hier können Sie das ganze Konzert anhören.

Calidore String Quartet beim Studiokonzert am 19. März 2019 im BR Funkhaus | Bildquelle: BR / Lisa Hinder

Bildquelle: BR / Lisa Hinder

Das komplette Konzert zum Anhören

BR-KLASSIK: Ryan Meehan, Sie spielen die zweite Geige und Jeremy Berry, Sie sind der Bratschist im Quartett. Welche Rolle spielte klassische Musik in Ihren Elternhäusern?

Jeremy Berry: Ich komme aus einer Arztfamilie. Mein Vater ist Arzt, meine Mutter war Krankenschwester und mein Bruder ist Apotheker. Ich bin also eher der Exot. Aber generell ist meine ganze Familie sehr kunstbegeistert. Als ich drei war, fand ich die Geige schon ganz cool. Ich wollte auch ein Instrument spielen. Als ich fünf war, habe ich dann mit der Bratsche begonnen.

Ryan Meehan: Ich dagegen komme aus einer Rechtsanwaltsfamilie. Meine Mutter hatte das Buch "Der Mozart-Effekt" gelesen, das in den 90er Jahren sehr populär war. Darin wurde behauptet, dass ein Kind intelligenter wird, wenn es Mozart hört – eine Theorie, die sich inzwischen als unhaltbar herausgestellt hat. Meine Mutter hat jedenfalls daran geglaubt. In meiner Grundschule wurde damals Geigenunterricht angeboten. Meine Mutter dachte sich: Wenn mein Sohn Mozarts Musik nicht nur hört sondern auch spielt, wird er vielleicht noch klüger. Als ich fünf war, ließ sie mich an einem Losverfahren für dieses Programm teilnehmen. Mein Name wurde dann tatsächlich gezogen, und deshalb spiele ich heute Geige.

Wenn man die Mittelstimmen spielt, übernimmt man ständig wechselnde Aufgaben.
Jeremy Berry

Die Bedeutung der Mittelstimmen

BR-KLASSIK: Sie spielen die mittleren Stimmen im Quartett. Welche Rolle steht Ihnen zu?

Ryan Meehan: Wenn man die Mittelstimmen spielt, übernimmt man ständig wechselnde Aufgaben. Man unterstützt zum Beispiel die tragende Melodie. Technisch gesehen spielt man dabei sehr oft den dritten Ton eines Akkords, das heißt man definiert in diesem Moment die Harmonie. Das macht es so interessant.

Jeremy Berry: Oft wird die energetische Spannung durch die Mitte des Ensembles angeheizt. Wir versuchen immer, alles in Bewegung zu halten und voranzutreiben.

Goldenes Kalifornien

BR-KLASSIK: The Calidore String Quartet – dieser Name geht auf keinen Eigennamen zurück, lässt sich aber auch nicht so einfach übersetzen…

Calidore String Quartet: der Bratschist Jeremy Berry | Bildquelle: © Calidore String Quartet Calidore String Quartet: der Bratschist Jeremy Berry | Bildquelle: © Calidore String Quartet Jeremy Berry: Wir sind über diesen Namen eigentlich mehr oder weniger gestolpert. Ein Gedicht über einen Ritter von John Keats heißt so. Es handelt viel von Natur, Rittertum, Schönheit und Respekt – alles Werte, die auch die Musik in sich trägt. Dazu kommt, dass wir damals noch alle am Colburn Konservatorium in Los Angeles studierten. Uns gefiel diese Kombination aus Cali, dem Anfang von California, und dem französischen Adjektiv doré, goldfarben.

BR-KLASSIK: Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie sich 2010 zum Quartett formiert haben?

Jeremy Berry: Als Studenten an derselben Schule haben wir uns nach und nach wie Glieder einer Kette zusammengesetzt. Wir haben intensiv geprobt und an unserem ersten Wettbewerb in den USA teilgenommen. Wir waren damals immer noch Studenten, hatten Glück und haben diesen Wettbewerb gewonnen. Kurz danach haben wir beim ARD-Musikwettbewerb den 3. Preis gewonnen.

Ich freue mich schon sehr darauf, für ein Publikum zu spielen, das so viel Wertschätzung mitbringt.
Ryan Meehan

Mit dem ARD-Wettbewerb ging es los

BR-KLASSIK: Das war 2012. Was bedeutet Ihnen dieser Wettbewerbserfolg rückblickend?

Calidore String Quartet: der zweite Geiger Ryan Meehan | Bildquelle: © Calidore String Quartet Calidore String Quartet: der zweite Geiger Ryan Meehan | Bildquelle: © Calidore String Quartet Ryan Meehan: Die Teilnahme am ARD-Musikwettbewerb hat uns sehr bekannt gemacht. Nur eine Woche danach wurden wir in einem Restaurant in Hamburg von zwei Damen angesprochen. Sie hatten uns im Fernsehen gesehen und waren von unserem Auftritt ganz begeistert. Das war irre. Durch den Wettbewerb sind wir an eine Agentur in Berlin gekommen. Außerdem ergaben sich viele Einladungen zu Konzerten. Und damit hat unsere Karriere ihren Anfang genommen.

BR-KLASSIK: Sieben Jahre später kommen Sie jetzt wieder nach München und geben ein Konzert im BR-Funkhaus. Holen Sie da die Erinnerungen ein an die Wettbewerbsatmosphäre?

Jeremy Berry: Ich denke, dass wir eine Woche vor dem Konzert noch ziemlich relaxed sein werden. Aber wenn wir dann tatsächlich zum Gebäude laufen, kommen bestimmt die ganzen Erinnerungen an den Wettbewerb zurück. Da werde ich ganz schön nervös sein. Aber es wird bestimmt lustig.

Ryan Meehan: Ich erinnere mich noch gut daran, wie viele Leute sich die Übertragung der einzelnen Runden auf der Leinwand vor dem Studio angeschaut haben. Hier interessieren sich die Leute wirklich für Streichquartette. Ich freue mich schon sehr darauf, für ein Publikum zu spielen, das so viel Wertschätzung mitbringt.

Musik in schwierigen Situationen

BR-KLASSIK: Im Studiokonzert kombinieren Sie Mendelssohns letztes Streichquartett mit Werken von Prokofjew, Webern und Osvaldo Golijov. Was liegt Ihnen an diesem Programm?

Der Komponist Osvaldo Golijov | Bildquelle: Sébastien Chambert Der Komponist Osvaldo Golijov, dessen "Tenebrae" vom Calidore String Quartet in München aufgeführt wird | Bildquelle: Sébastien Chambert Jeremy Berry: Es geht um Komponisten, die in sehr schwierigen Situationen Musik geschrieben haben. Prokofjew hat das Quartett während des Zweiten Weltkriegs komponiert. Er war damals in den Nordkaukasus evakuiert worden. Trotz dieser Situation hat er ermutigende, positive Musik für das russische Volk geschrieben. Die Geschichte von Golijovs "Tenebrae" ist eine völlig andere. Im September 2000 hat er mit seinem Sohn das Planetarium in New York besucht, wo er unseren Planeten als winzigen Punkt draußen im Universum zu sehen bekam. Dieses Erlebnis kommt in einem friedvollen Pulsieren musikalisch zum Ausdruck. Im Kontrast dazu steht allerdings ein mittlerer Teil, in dem Golijov seinen Besuch in Israel eine Woche zuvor verarbeitet. Der Aufenthalt stand ganz unter dem Eindruck der dort neu ausgebrochenen Gewalt. Um diese Konfliktsituation geht es in "Tenebrae".

Immer neue Länder und Erfahrungen

BR-KLASSIK: Was haben Sie sich als Quartett in nächster Zeit vorgenommen? Auf welche Projekte freuen Sie sich besonders?

Ryan Meehan: Natürlich freuen wir uns riesig darauf, nach München zurückzukommen, weil das ein Ort unserer Entstehungsgeschichte ist. Wir werden wieder ein Konzert mit unseren Mentoren, dem Emerson String Quartet, spielen. Das ist immer spannend. Wir werden im Sommer auch wieder in Italien auftreten. Es macht uns einfach Spaß, unsere Musik über die Jahre hinweg mit so unterschiedlichem Publikum teilen zu können. Jedes Jahr kommen drei oder vier neue Länder dazu. Für mich ist das fast das Tollste an unserer Karriere.

Sendung: "Allegro" am 18. März 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Infos zum Konzert

Dienstag, 19. März 2019, 20:00 Uhr
München, Studio 2 im Funkhaus

The Calidore String Quartet

Sergej Prokofjew:
Streichquartett Nr. 2 F-Dur
Osvaldo Golijov:
"Tenebrae", Fassung für Streichquartett
Anton Webern:
Fünf Sätze, op. 5
Langsamer Satz
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Streichquartett f-Moll, op. 80

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