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Glenn Gould zum 30. Todestag Das einsam verrückte Genie

Glenn Gould war schon zu Lebzeiten eine Legende. Er komponierte, war Organist, Autor und vor allem einer der großen Pianisten des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde er mit seiner Interpretation von Bachs "Goldberg-Variationen". Gould kennzeichneten sein überragendes Talent, das unbedingte Streben nach Perfektion sowie auch eine exzentrische, halsstarrige Art. Er bevorzugte anstelle eines Klavierhockers einen Stuhl mit abgesägten Beinen. Außerdem sang er in seinen Aufnahmen gerne mit - sein unverkennbares Markenzeichen.

Bereits im Alter von 15 Jahren gab der am 25. September 1932 in Toronto geborene Glenn Gourd erste Konzerte. Sein USA-Debüt mit 23 in Washington und New York verhalf ihm zu internationalem Durchbruch und brachte ihm einen Vertrag mit der dortigen Plattenfirma Columbia Masterworks (heute Sony Classical) ein, mit der er bis an sein Lebensende exklusiv verbunden blieb.

Von Amsterdam bis Leningrad

Glenn Gould mit Herbert von Karajan, Berlin 1957 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Glenn Gould mit Herbert von Karajan, Berlin 1957 | Bildquelle: picture-alliance/dpa In den folgenden Jahren trat er zusammen mit berühmten Dirigenten und namhaften Orchestern aus Berlin, Amsterdam, Detroit, Pittsburgh, San Francisco oder Cleveland auf. 1957 wurde er als erster nordamerikanischer Pianist seit dem Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Regierung eingeladen und feierte in Moskau und Leningrad Triumphe. Zunehmend entwickelte Gould ein fast autistisch gestörtes Verhältnis zu seinem Publikum und sah im Konzertbetrieb die "Manifestationen eines bösen Herdentriebs, des Profitstrebens und der Sensationsgier des Publikums". Mit 32 Jahren zog er sich vom Konzertpodium zurück und trat nur noch über Aufnahmestudio und Telefon mit dem Publikum in Kontakt.

Unkonventionelle Spieltechnik

Glenn Gould bei einer Konzertprobe am 19. Mai 1959 in der Royal Festival Hall in London. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Glenn Gould bei einer Konzertprobe am 19. Mai 1959 in der Royal Festival Hall in London | Bildquelle: picture-alliance/dpa Goulds Klavierspiel bestach durch brilliante Virtuosität und Mühelosigkeit. Wegen seines sehr streng rhythmischen und scharf artikulierten Spiels sowie der Extreme in den Tempi warfen ihm manche Hörer und Kritiker zuweilen vor, er musiziere mechanisch und unsensibel. Seine große Stärke war jedoch, mit einer sehr ausgeklügelten Spieltechnik einzelnen Stimmen unterschiedliche Klangfarben zu verleihen. Damit traten vor allem die polyphonen Barockwerke Bachs außerordentlich transparent hervor. Weniger bekannt als seine Musikaufnahmen sind Goulds zahlreiche Hörfunk-Features und TV-Dokumentationen für unter anderem CBC und BBC. Hervorzuheben unter ihnen ist "The Solitude Trilogy" (1967/1969/1977), eine Serie von drei Hörspielen über das Leben nördlich des Polarkreises mit einer von Gould als "kontrapunktisches Radio" bezeichneten Technik. Dabei sprechen mehrere Personen gleichzeitig, aber nicht willkürlich aneinander vorbei, so dass sich der Sinngehalt des Gesagten gegenseitig ergänzt.

Von Glenn Gould liegen außerdem wenige eigene Kompositionen für Klavier und Kammerorchester sowie Transkriptionen von Wagner- und Richard-Strauss-Werken für Klavier vor. Er arrangierte die Musik für mehrere Kinofilme, unter anderem "Slaughterhouse-Five" (1972) oder "The Wars" (1983).
Wenige Tage nach seinem 50. Geburtstag erlitt Glenn Gould einen schweren Schlaganfall, an dessen Folgen er am 4. Oktober 1982 in seiner Heimatstadt Toronto verstarb.

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