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Interview mit Gustavo Gimeno Der Schlagzeuger am Pult

Gustavo Gimenos Karriere kann man zu Recht als ungewöhnlich bezeichnen. Lange war der gebürtige Spanier Erster Schlagzeuger im Royal Concertgebouw Orchestra. Dann sprang er für Mariss Jansons ein - und wurde zum gefragten Dirigenten. In dieser Woche leitet er die Münchner Philharmoniker. BR-KLASSIK hat Gustavo Gimeno vorab zum Interview getroffen.

Dirigent Gustavo Gimeno | Bildquelle: © Marco Borggreve

Bildquelle: © Marco Borggreve

Interview mit Gustavo Gimeno

Der Schlagzeuger am Pult

BR-KLASSIK: Herr Gimeno, Sie haben eine ungewöhnliche Karriere gemacht: Sie waren Erster Schlagzeuger des Concertgebouw-Orchesters, dann haben Sie das Dirigieren für sich entdeckt, haben bei Claudio Abbado gelernt und waren Assistent von Mariss Jansons. Wie kam es zu diesem Umschwung?

Gustavo Gimeno: Das Dirigieren hat mich schon immer fasziniert. Ich erinnere mich noch, dass ich als Kind oft aufgesprungen bin und mich zur Musik bewegt habe, wenn mein Vater eine Platte aufgelegt hat. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass ich mal Dirigent werde. Als ich dann die Stelle beim Concertgebouw Orchestra bekam, wurde mir klar, was für eine Riesenchance das ist. Ich habe so viel gelernt in der Zeit und parallel dazu noch am Konservatorium studiert. Das war toll: Tagsüber in Proben von Mariss Jansons sitzen und abends dann an der Hochschule Amateurorchester dirigieren. Aber konkrete Pläne, als Dirigent Karriere zu machen, hatte ich damals noch nicht.

Mariss Jansons ist glücklich, wie sich die Dinge für mich entwickelt haben.
Gustavo Gimeno

BR-KLASSIK: Dann kam es zu einer ganz besonderen Situation: Sie sind für Mariss Jansons eingesprungen. Wie war das genau?

Gustavo Gimeno: Das kam unerwartet, als Mariss krank wurde. Das Repertoire war sehr anspruchsvoll. Markus Lindbergs zweites Klavierkonzert sollte in Europa Premiere feiern. Andererseits war es ein Glücksfall für mich. Ein paar Wochen nach meinem Debüt mit dem Concertgebouw habe ich Mariss getroffen und da sagte er zu mir: Gustavo, ich war krank, aber ich bin froh darüber, weil du dadurch diese Chance bekommen hast. Also er konnte darüber lachen und ist auch im Nachhinein sehr glücklich, wie sich die Dinge für mich entwickelt haben.

BR-KLASSIK: Hat dieser Moment dafür gereicht, dass auch andere Orchester auf Sie aufmerksam wurden?

Gustavo Gimeno: Die Musikszene ist recht überschaubar und in Zeiten von Social Media und Internet spricht sich so etwas schnell herum. Ich kannte die Münchner Philharmoniker natürlich und sie hatten umgekehrt auch von mir gehört, aber natürlich hat es sehr geholfen, dass ich einen sehr wichtigen Dirigenten vertreten hatte und das gut gelaufen war. Also bekam ich die Chance, Lorin Maazel zu vertreten. Es sind viele Dinge zur richtigen Zeit passiert.

Das Dirigieren braucht viel Zeit und Hingabe.
Gustavo Gimeno

BR-KLASSIK: Vermissen Sie Ihr Schlagzeug manchmal?

Gustavo Gimeno: Überhaupt nicht. Das Dirigieren braucht ohnehin sehr viel Zeit und Hingabe, wenn man es ernsthaft betreibt. Ich habe lang genug Schlagzeug gespielt. Außerdem mache ich ja immer noch Musik. Zwar auf eine andere Art und Weise, denn ich bewege meine Arme in der Luft. Aber ich habe den ganzen Tag wundervolle Musiker um mich herum und versuche den Klang zu kreieren, den ich in meinem Kopf habe – das ist sehr herausfordernd und macht wahnsinnig viel Spaß. Und das reicht mir allemal. Deshalb muss ich nicht selber Klänge auf einem Instrument erzeugen.

BR-KLASSIK: Sie dirigieren die Münchner Philharmoniker in dieser Woche ausschließlich mit romantischen deutschen Werken. Warum diese Auswahl?

Gustavo Gimeno: Die Romantiker haben einfach wundervolle Musik gemacht. Ich finde diese Epoche wirklich interessant: Das Erbe der Klassiker schwebt über allem, aber die Sprache der Komponisten ist eine andere. Romantische Gefühle spielen eine Rolle, die Beziehung zwischen Malerei, Literatur und anderen Künsten, und die Frage, wie die Künste uns Menschen zu denen machen, die wir sind – all das findet man in der Musik der deutschen Romantiker. Das klingt am Ende nicht nur wunderschön, sondern ist auch sehr spannend und für mich als Dirigent immer wieder eine echte Herausforderung.

Das Gespräch führte Bernhard Neuhoff für BR-KLASSIK.

Gustavo Gimeno dirigiert die Münchner Philharmoniker

Mittwoch, 20. April 2016 / Donnerstag, 21. April 2016 / Freitag, 22. April 2016
München, Philharmonie im Gasteig, 20 Uhr

Carl Maria von Weber: Ouvertüre zu "Der Freischütz"
Robert Schumann: Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Symphonie Nr. 3 a-Moll op. 56

Leif Ove Andsnes, Klavier
Münchner Philharmoniker
Gustavo Gimeno, Ltg.

Einzelheiten zu den Konzerten

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