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Der Tenor Mark Padmore "Mir geht es um die Poesie an sich"

Haben Literatur und Musik einen gemeinsamen Nenner? Robert Schumann und Franz Schubert würden diese Frage wohl einstimmig mit einem lauten "Ja" beantworten. Die beiden Komponisten haben viele Gedichte vertont - darunter auch von Heinrich Heine. Im Literaturhaus in München findet nun ein ganz besonderer Heine-Liederabend statt. Mit dabei: die Autorin und Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe und Tenor Mark Padmore, "Artist in Residence" beim BR-Symphonieorchester. Im Interview spricht Padmore über sein Verhältnis zu Heine, zur Musik von Schubert und Schumann - und zur deutschen Sprache.

Mark Padmore | Bildquelle: Marco Borggreve

Bildquelle: Marco Borggreve

BR-KLASSIK: Das erste Mal verbindet ein gemeinsames Projekt das Literaturhaus und das BR-Symphonieorchester: "TON SATZ". War das Ihre Idee?

Mark Padmore: Ich bin sehr froh, hier mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks als "Artist in Residence" auftreten zu können. Wir haben in der Vergangenheit schon viele Projekte zusammen realisiert: zum Beispiel Johann Sebastian Bachs "Johannes-Passion" oder Werke von Benjamin Britten und Michael Tippett. Aber bisher haben wir noch keinen Liederabend zusammen auf die Bühne gebracht - und das liebe ich eigentlich so sehr. Dann habe ich mit dem Manager des Symphonieorchesters Nikolaus Pont gesprochen und wir dachten uns: Ja, das wäre doch mal eine gute Idee.

Wir wollen eine Diskussion über die Literatur mit einem Konzert verbinden.
Mark Padmore

BR-KLASSIK: Kam die Idee also von Ihnen?

Mark Padmore: Das kam von verschiedenen Seiten. Nikolaus Pont hatte von Anfang an die Idee, mit dem Literaturhaus zu kooperieren. Und wir haben dann über mögliche Projekte gesprochen. Wir wollten etwas Besonderes machen, speziell mit Literatur. Und so ist dann nach und nach die Idee gereift: Wir wollen eine Diskussion über die Literatur mit einem Konzert verbinden - also den Text mit seiner Vertonung.

BR-KLASSIK: Was erwartet uns also im Literaturhaus genau?

Mark Padmore: Die Veranstaltung hat zwei Teile. In der ersten Hälfte werden wir uns in einer Diskussion mit Felicitas Hoppe, der Büchner-Preisträgerin, mit der Literatur von Heinrich Heine beschäftigen. Speziell damit, wie Heinrich Heines wundervolle Poesie von Franz Schubert und Robert Schumann in Gesang übersetzt wurde. Und in der zweiten Hälfte wird es dann eine Aufführung von "Dichterliebe" geben, dem berühmtesten Heine-Zyklus von Robert Schumann.

BR-KLASSIK: Wen könnte dieser Abend besonders interessieren?

Mark Padmore: Ich glaube für jeden, der Heine liebt, ist diese Veranstaltung interessant. Weil man Heinrich Heines Texte gewissermaßen durch die Linse von Schubert und Schumann sieht. Und jeder, der diese beiden Komponisten liebt, wird mehr über sie herausfinden. Ich denke, wir werden alle gemeinsam neue Dinge über die Werke lernen.

Für jeden, der Heine liebt, ist diese Veranstaltung interessant.
Mark Padmore

BR-KLASSIK: Wie wichtig ist dabei der Text von Heine für Sie als Tenor?

Heinrich Heine | Bildquelle: picture-alliance/dpa Heinrich Heine | Bildquelle: picture-alliance/dpa Mark Padmore: Die Literatur ist eigentlich die Hauptsache. Wir wollen herausfinden: Was meint Heinrich Heine in seinen Texten und was hat er für die Vertonung mit auf den Weg gegeben? Heinrich Heine wurde 1797 geboren, im selben Jahr wie Franz Schubert. Schubert war der erste Komponist, der Heinrich Heine vertont hat - wirklich fantastisch. Er hat sechs Texte von Heine in seiner Liedersammlung "Schwanengesang" musikalisch umgesetzt. Und Heinrich Heine ist im selben Jahr gestorben wie Robert Schumann. Heinrich Heine hat also sowohl Schubert als auch Schumann miterlebt - es ist also sehr interessant herauszufinden, wie Heine von den beiden Komponisten verstanden wurde. Gab es da Differenzen? Haben beide die Ironie von Heine verstanden? Und ist sie in der Musik auch umgesetzt? All diese Fragen wollen wir also zusammen diskutieren. Und ich hoffe, dass ich von Felicitas Hoppe auch noch so einiges über Heinrich Heine lernen werde.

BBR-KLASSIK: Was war für Sie beim Einstudieren die größte Herausforderung?

Mark Padmore: Für mich war es vor allem eine große Herausforderung herauszufinden: Wie haben die Komponisten die Texte von Heinrich Heine ausgesucht? Wie haben sie die Texte interpretiert? Denn das alles ist sehr kompliziert. Oft hören die Menschen die Lieder nur wegen der Schönheit des Gesangs an - sie wollen eben wohlklingende Stimmen hören. Aber mir ging es dabei noch mehr um die Poesie an sich. Und darum, wie die Komponisten den Zuhörern helfen, den Text auch wirklich zu begreifen. Ich muss sagen: Oft macht es die Musik dem Publikum schwer, den Text in seiner Bedeutung zu verstehen. Als Sänger kann ich dann versuchen, es wirklich so klar wie möglich auszudrücken.

Man kann nie ganz zum Kern durchdringen und ein Fazit ziehen.
Mark Padmore

Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe | Bildquelle: picture-alliance/dpa Felicitas Hoppe | Bildquelle: picture-alliance/dpa BR-KLASSIK: Und sind Sie als Sänger nun wirklich zu der Bedeutung der Texte von Heine durchgedrungen?

Mark Padmore: Ich glaube, man kann nie ganz zum Kern durchdringen und ein Fazit ziehen. Das ist doch auch das Schöne an diesem Repertoire: Du lernst eben immer etwas dazu. Für jedes Publikum ist es anders und sogar für jeden einzelnen Zuhörer. Und als Sänger willst du die Menschen dazu bringen, noch einmal über die Poesie nachzudenken, die sie schon gut zu kennen glauben.

BR-KLASSIK: Sie werden mit Felicitas Hoppe, der Büchner-Preisträgerin, sprechen. Haben Sie sie schon kennengelernt und etwas von ihr gelesen?

Mark Padmore: Das war eine Idee des Literaturhauses. Ich habe Felicitas Hoppe bereits getroffen und sie schien begeistert von dem Projekt. Ob ich schon etwas von ihr gelesen habe? Leider ist nicht viel von ihrer Arbeit ins Englische übersetzt. Aber ich hoffe, dass ich ihre Arbeit bald noch besser kennenlerne.

Ich arbeite wirklich sehr hart am Text.
Mark Padmore

BR-KLASSIK: Wie sind Sie als Engländer mit den deutschen Texten von Heine fertig geworden?

Mark Padmore: Mein gesprochenes Deutsch ist nicht so gut, und das ist mir auch ein bisschen peinlich - aber ich arbeite wirklich sehr hart an dem Text. Ich muss ein bisschen länger daran sitzen und studieren, um jedes einzelne Wort zu verstehen. Aber das ist meiner Meinung nach sogar ein Vorteil: weil ich viel mehr ins Detail gehen muss und mich wirklich eingehend mit jeder Zeile beschäftige.

BR-KLASSIK: Haben Sie einen Lieblingstext von Heinrich Heine?

Mark Padmore: Es gibt da ein paar Zeilen, die ich wirklich wundervoll finde. Im letzten Lied "Der Doppelgänger" aus dem "Schwanengesang" heißt es zum Beispiel:
"Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen. In diesem Hause wohnte mein Schatz."
Kombiniert mit der wundervollen Musik von Schubert taucht in meinem Kopf dieses faszinierend düstere Bild a la "film noir" auf: von der einsamen, leeren Straße, auf der jemand erscheinen wird, den wir kennen…

Die Fragen stellte Johannes Lenz für BR-KLASSIK.

Sendung: "Leporello" am 10. Mai 2017 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Infos zum Konzert

Mittwoch, 10. Mai, 20.00 Uhr
Literaturhaus München

"Vertont: Heinrich Heine"
Ein Abend mit Felicitas Hoppe und Mark Padmore

Eintritt: 16 €, ermäßigt 10€

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