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Geschichte – Johann Strauss Sohn konvertiert Vom Wiener Walzerkönig zum Oberfranken

Erfolg macht sexy. Aber garantiert er auch ein harmonisches Beziehungsleben, besonders wenn der Erfolgreiche als schillernder Stern im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht? Es ist nicht leicht, ein Star zu sein, beziehungstechnisch zumindest. Diese bittere Erfahrung musste auch einer der Großen der Musik des 19. Jahrhunderts machen.

Der Komponist Johann Strauß Sohn  | Bildquelle: picture-alliance/dpa/akg-images

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Es war im Jahr 1878, als Johann Strauß Sohn zum zweiten Mal in den heiligen Stand der Ehe trat. Die Auserwählte, die der Mann, der ganz Europa in einen Walzer-Taumel versetzte, vor den Traualtar führte, war die blutjunge Schauspielerin Ernestine Henriette Angelika Dietrich, genannt Lili. Die Braut war 25 Jahre jünger als ihr weltberühmter Bräutigam, der erst wenige Wochen zuvor Witwer geworden war.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Die Ehe zwischen Lili und Johann Strauß stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Zwar ermöglichte der Erfolgskomponist seiner Frau ein Luxusleben in seinem eleganten Wiener Stadtpalais in der Igelgasse - ihre hochtrabenden  Ambitionen zu einer eigenen Theaterlaufbahn unterstützte er dagegen nicht. Aus Frust oder vielleicht auch aus Leichtsinn warf sich Lili in die Arme eines anderen. Sie wurde die Geliebte des etwa 30-jährigen Franz Steiner, der als Nachfolger seines Vaters die Direktion des "Theaters an der Wien" übernommen hatte. Der betrogene Johann Strauß, der sich nicht als Karrieresprungbrett hatte missbrauchen lassen wollen, versuchte noch gutwillig zu retten, was zu retten war. Lili jedoch zeigte sich unnachgiebig und verließ die gemeinsame Villa. Am 9. Dezember 1882 wurde die Ehe zwischen Johann und Lili Strauß vor dem Wiener Landgericht geschieden. 

Trotz Scheidung nicht geschieden

Trotz Enttäuschung und Trennungsschmerz war Johann Strauß kein Mann für Single-Einsamkeit. So streckte der Mittfünfziger bereits vor dem offiziellen Scheidungstermin seine Fühler nach einer neuen Gefährtin aus und verliebte sich in die 26-jährige Witwe Adele Strauß, die trotz ihres Nachnamens mit dem Komponisten weder verwandt noch verschwägert war. Adele wurde schnell ein fester Bestandteil seines Künstlerlebens, begleitete ihn auf Konzertreisen, zog sogar bei ihm ein, unterstützte ihn bei der Arbeit und war seinen prominenten Freunden, wie Johannes Brahms, eine charmante Gastgeberin. In ihr fand der Walzerkönig eine ideale Partnerin, ganz nach seinem Geschmack und seinen Bedürfnissen. Das sahen sogar Wiens kritische Zeitschriften, zum Beispiel der für seine satirischen Sticheleinen berüchtigte "Floh", ähnlich:

Frau Adele Strauß wird auf sein nervöses Künstlertemperament wohltuend wirken und sich beglückt fühlen.
Aus der österreichischen Satire-Wochenzeitung 'Der Floh'

Johann Strauß erkannte schnell, dass Adele die Richtige für den Rest seiner irdischen Tage sein würde. Nur eines fehlte dem Paar zum vollkommenen Beziehungsglück: der Trauschein. Die Legalisierung ihrer "wilden Ehe" scheiterte jedoch an einem unüberwindbaren Hindernis: an Lili Strauss. "Bis dass der Tod euch scheidet" galt im erzkatholischen Österreich als Gesetz von absoluter Gültigkeit. Das bedeutete: Nach Zivilrecht konnte zwar eine Scheidung ausgesprochen werden - solange der oder die Ex noch lebte, durfte es aber juristisch keine Wiederverheiratung geben.

Über Sachsen in den dritten Ehehafen

Adele Strauß | Bildquelle: picture-alliance/dpa/akg-images Adele Strauß - dritte Ehefrau von Johann Strauß Sohn | Bildquelle: picture-alliance/dpa/akg-images Das Lutheranische Ausland zeigte sich in dieser Hinsicht toleranter. Deshalb fasste der Komponist, der als Quintessenz alles Wienerischen und als musikalischer Bannerträger der 'K.u.K-Monarchie' galt, einen folgenschweren Entschluss: Johann Strauß Sohn konvertierte zum Protestantismus und nahm die deutsche Staatsangehörigkeit an. Am 26. Mai 1886 ersuchte Österreichs berühmtester Künstler den Magistrat der Stadt Coburg um "Aufnahme in den Herzoglich Sachsen-Coburg-Gothaischen Staatsbürgerverband" und  beschleunigte seinen Antrag mit einer großzügigen Spende an die Armenkasse.

Was tut man nicht alles für ein Weib!
Johann Strauß Sohn

Vom Walzerkönig zum Oberfranken. In dieser für ihn so wichtigen Herzensangelegenheit hatte Johann Strauß einen einflussreichen Unterstützer: Herzog Ernst II von Sachsen-Coburg, der sich selbst als Opernkomponist versuchte und ein langjähriger Freund des Wiener Meisters war. Deshalb gingen alle Formalitäten schnell und reibungslos über die Bühne. Im Juni 1886 mietete Strauß eine Wohnung in seiner "neuen Heimat", Anfang Juli trat er zum protestantischen Glauben über. Am 29. Januar 1887 leistete er pflichtschuldigst seinen Untertanen-Eid, worauf seine Ehe mit Lili nach sächsischem Recht geschieden werden konnte. Hiermit war, auch juristisch, der Weg zu einer dritten Ehe geebnet. Und so führte Europas erfolgreichster Komponist am 15. August 1887 seine Adele in der fürstlichen Hofkirche von Coburg vor den Traualter. "Was tut man nicht alles für ein Weib!“,  das hatte der "deutsche Staatsbürger" Johann Strauß wenige Tage vor der Hochzeit seiner zukünftigen Gattin in einem Brief geschrieben.

Sendung: "Piazza" am 15. August 2020 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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