BR-KLASSIK

Inhalt

Zum 75. Geburtstag - Interview mit Senta Berger "Ich bin quasi unterm Klavier aufgewachsen"

Senta Berger wird am 13. Mai 75 Jahre alt. Die Schauspielerin ist mit viel Musik um sich herum aufgewachsen und liebt bis heute die Oper und klassische Musik. Im Gespräch mit BR-KLASSIK erinnert sie sich an ihre ersten Tanzauftritte als Mädchen und daran, dass sie einmal Sängerin werden wollte.

Schauspielerin Senta Berger | Bildquelle: imago/Futureimage

Bildquelle: imago/Futureimage

BR-KLASSIK: Zu Ihrem 70. Geburtstag hatten Sie gesagt "ich bin die Summe meiner Jahre, das Leben ist ein Fluss, die 7 vor der 0 beeindruckt mich natürlich, die Zahl ist mir fremd - noch fremd, ich werde mich gewöhnen". Jetzt werden Sie 75 - haben Sie sich an die 7 gewöhnt?

Senta Berger: Nein. Ich würde gerne weise sagen: "Aber natürlich, ich identifiziere mich ja mit meinen gelebten Jahren" - und das tu ich ja auch. Nur, es ist mir vollkommen fremd, es ist unfassbar für mich. Die Zahl steht auf der Torte, gut, also glaube ich sie. Aber es hat andere Einschnitte gegeben in meinem Leben, wichtigere auch, glückliche Momente, unglückliche, komödiantische, tragische - aber diese 75 tangiert mich irgendwie nicht, als wär ich’s nicht - es ist mir eigentlich vollkommen fremd.

Papa spielt, die kleine Senta tanzt dazu

BR-KLASSIK: Für die kommende Ausgabe der BR-KLASSIK Sendereihe "Meine Musik" am kommenden Samstag haben Sie Lieblingsstücke ausgesucht: Und Ihr erster Wunsch ist die „Annenpolka“ von Johann Strauss. Was ist Ihre Erinnerung an dieses Stück?

Senta Berger: Ich bin sehr früh in die Ballettschule gekommen, und zwar in eine recht gute, zu Dia Luca, die war damals eine Choreographin an der Volksoper. Und dort hat man, wenn man an der Stange die Exercises gemacht hat, immer klassische Musik gehört, während in den privaten Tanzschulen sehr oft auch mal Schlager oder sowas gespielt worden ist. Ich habe gar nicht gewusst, dass ich mit so viel guter Musik aufwachse, aber das war’s eben. Und mein Vater war ja Musiker, der hat Klavier gespielt und Komposition studiert. Er hat dann sehr früh abbrechen müssen, es waren die sogenannten schlechten Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg. Aber er ist der Musik und seiner Liebe zu ihr immer treu geblieben und hat ein kleines Orchester gegründet, das nannte sich „Tafelrunde“. Das kommt daher, weil sie nicht bezahlt wurden, sondern gespeist von der Tafel. Also wenn sie in einem Gasthaus gespielt haben, gab es anschließend Würstel oder sogar einen Schweinsbraten als Honorar. Ich habe damals schon getanzt, und irgendwer hat dann meinen Vater gefragt, ob er mich nicht mal auf die Bühne stellen wollte. Meine Eltern haben mir das ganz überlassen, und ich war total begeistert, ich wollte das machen. Und so habe ich das erste Mal in einem Gasthaus auf einer kleinen Bühne gestanden und getanzt. Meine Mutter hatte mir ein rosa Tütü-Kleid genäht, mein Vater saß am Klavier, und mein erster Tanz war eben die „Annenpolka“. Und wenn ich das heute höre, ich könnte Ihnen genau die ersten Schritte zeigen. Ich weiß noch ganz genau, wie das geht. Ich erinnere mich an das Lampenfieber, ein bisschen Angst, und an das wunderbare Gefühl: "Die Musik trägt dich". Und schau mal, die Leute haben sogar applaudiert, also auf ein Mädchen von sieben, acht Jahren hat das natürlich großen Eindruck gemacht.

BR-KLASSIK: Das ist ja auch mutig, da zeigt sich schon, wer in der Lage ist, auch etwas vor Publikum zu machen.

Senta Berger: Ja, das stimmt. Ich war sehr munter. Wir sind aufgetreten in kleinen Theatern, und ich habe damals schon gesungen. Ich kann mich erinnern, dass ich das Fiakerlied gesungen habe. Wir lebten ja in einer winzigen Wohnung, und darin hat den allergrößten Platz das Klavier meines Vaters gehabt. Und ich bin quasi unter diesem Klavier aufgewachsen, das war gar nicht anders möglich. Das Kinderbettchen stand unterm Flügel. Und als ich dann größer war und nicht mehr hineingepasst habe, kamen drei Klappbetten in das Zimmer mit dem Flügel. Mein Vater hat unendlich viel gespielt am Klavier, natürlich auch leichte Sachen, sagen wir mal Robert Stolz oder Franz Lehár, aber auch sehr viel Klassisches. Und er hat mich immer aufgefordert: Ob ich den Text kann? Na komm, dann sing mit! Ich hatte ein irrsinnig großes Repertoire, weil man sich ja auch als Kind sofort alles merkt. Ich war sehr musikalisch - und das hat mich dann später als Erwachsene behindert, wenn ich gesungen habe, weil ich eigentlich musikalischer als meine Stimme war. Ich habe jede Intonation, die daneben ging, gehört. Dann war ich im ständigen Konflikt mit mir selber.

Sängerin mit kleiner Stimme

BR-KLASSIK: Hätte Ihr Vater Sie auch als Sängerin gesehen?

Senta Berger: Ja, unbedingt. Und er hat mir das auch immer übel genommen, dass ich mich da nicht mehr reingehängt habe, aber er selber war es, der mir ein bisschen den Wind aus den Segeln genommen hat. Denn dann kam die Pubertät, meine Stimme hat sich verändert, und auch meine Interessen. Und wenn ich dann gesungen habe, hat mein Vater gesagt: "Naja, hast halt eine kleine Stimme." Und das hat mir so weh getan! Heute denke ich, der Mann wollte mir nur Gutes sagen: Achtung, Senta, das wird keine große Operngeschichte hier mit dir, sei vorsichtig. Aber er hat halt das Gegenteil bewirkt, tja, Eltern machen auch Fehler.

"Meine Musik" - die Schauspielerin Senta Berger zu Gast bei Susanne Rohrer

Samstag, 14. Mai um 11.05 Uhr auf BR-KLASSIK.

BR-KLASSIK: Sie haben sich für unsere Sendung auch den Rosenkavalier-Walzer von Richard Strauss gewünscht. Erinnert Sie das auch an Ihre Jugend? Ihr Vater ist ja viel mit Ihnen in die Oper gegangen.

Senta Berger: Ja, und es erinnert mich daran, dass die Marschallin in der Oper dreißig ist und sagt: "Wo ist denn die Zeit hin?" Man soll alle Uhren verhängen - mit dreißig! Aber ja, mein Vater hat mich sehr gefördert, wir sind sehr früh in die Oper gegangen. Da hat er viele pädagogische Fehler gemacht, wenn man ein Kind mitnimmt zu "Elektra", zu "Salome" mit acht und neun Jahren, dann ist eigentlich vorprogrammiert, dass sie krank nach Hause kommen wird - und so war es auch. Aber natürlich hat er mich zur Musik geführt, besonders eben auch zu Richard Strauss.

BR-KLASSIK: Was wäre denn die sanftere, bessere Methode? Wie haben Sie es bei Ihren Kindern gemacht?

Senta Berger: Also ich habe es versucht. Meine Kinder sind ja noch in der sogenannten anti-autoritären Zeit klein gewesen und aufgewachsen, was sie mir heute selbstverständlich vorwerfen, weil beide haben Klavier gelernt, unglaublich talentiert, beide haben in der Pubertät hingeschmissen und sagen heute, du hättest mich am Klavierhocker festbinden müssen. Wir haben viel angeboten, und letztendlich hat sich herauskristallisiert, dass das Theater, was für mich und meinen Mann eine so große Bedeutung hat, diese Bedeutung nicht mehr hat für meine Kinder. Sie sind beide Kino-Fexe. Und Simon hat oft die Musik zu seinen Filmen selbst geschrieben, ist also Komponist, und das hat er direktemang von meinem Vater übernommen.

Das Gespräch führte Susanne Rohrer für BR-KLASSIK.

    AV-Player