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Uraufführung von Beat Furrer bei musica viva "Mit offenen Ohren durch diese Welt"

Wenn Beat Furrer komponieren will, zieht er sich in ein einsames Forsthaus in der Steiermark, umgeben nur von Wind, Wald und Fels. Er brauche einfach immer wieder Zeiten, die von nichts unterbrochen seien, sagt der Österreicher, um sich wirklich konzentrieren zu können. Ein Porträt.

Beat Furrer | Bildquelle: Manu Theobald

Bildquelle: Manu Theobald

Ein weltferner Eremit ist Beat Furrer nicht. Für seine Rolle als Komponist hat der in Österreich lebende Schweizer eine Metapher gefunden, die eine große Weltzugewandtheit ausdrückt: das mythische Haus der Fama, Göttin des Gerüchts und des Hörensagens.

Die Welt hörend begreifbar machen

Dieses Haus ist, wie Ovid in seinen Metamorphosen schreibt, aus tönendem Erz gebaut und "tags wie nachts nach allen Seiten hin offen" - wie eine Echokammer, in der jedes Wort und jeder Laut dieser Welt seinen Widerhall findet. Für Furrer ist dies ein wunderbares Bild, das Komponieren als eine Art "Fama-Ohr" zu begreifen. "Ich gehe als Komponist mit offenen Ohren durch diese Welt. Was mit dabei begegnet, versuche ich zu entschlüsseln - und so auch hörend zu begreifen, was um mich herum passiert."

Ich versuche hörend zu begreifen, was um mich herum passiert.
Beat Furrer

Furrers "Fama" mit einem Raum im Raum-Konzept

Beat Furrer, Ernst von Siemens Musikpreisträger 2018 | Bildquelle: Manu Theobald Beat Furrer | Bildquelle: Manu Theobald In seinem Werk "Fama", das bei der Musikbiennale in Venedig mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, lässt Furrer dieses Bild Wirklichkeit werden. Für sein "Hörtheater in acht Szenen", das 2005 in Donaueschingen uraufgeführt wurde, baut der Komponist gemeinsam mit einem Akustiker einen Raum im Raum, der zeitgleich Konzertsaal, Bühnenbild und das wichtigste Instrument ist: eine hölzerne Box, durch deren Luken, Ritzen und Lamellen Töne, Geräusche und Stimmen von außen nach innen dringen. Der Saal verwandelt sich dadurch in einen gewaltigen Resonanzkörper, in ein Hörtheater mit umherschwirrenden Klängen.

Der Komponist Beat Furrer

Beat Furrer wird 1954 in Schaffhausen in der Schweiz geboren, wo er ersten Musikunterricht am Klavier erhält. 1975 zieht er nach Wien und studiert dort Komposition und Dirigieren. 1985 gründet er mit Viktor Liberda die "Société de l'art acoustique", ein Ensemble für zeitgenössische Musik, das ab 1988 unter dem Namen Klangforum Wien auftritt. Der passionierte Lehrer nimmt 1991 eine Professur für Komposition an der Musikhochschule in Graz an und unterrichtet von 2006 bis 2009 als Gastprofessor in Frankfurt. Zu seinen wichtigsten Werken gehören "Die Blinden" (1989), "nuun" (1996), "Begehren" (2001/2003) und "Fama" (2005). 2014 erhält er den Großen Österreichischen Staatspreis.

Das Musiktheater im Fokus

Beat Furrer komponiert viel und erfolgreich Instrumentalmusik. Im Zentrum seines Schaffens steht aber das Musiktheater. Als Leiter des von ihm gegründeten Klangforums Wien, ein weltweit renommiertes Ensemble für Neue Musik, hat er sich bereits einen Namen gemacht. Seinen endgültigen Durchbruch feiert er Anfang der Neunziger mit seiner Oper "Die Blinden" - nach Texten von Platon, Hölderlin, Rimbaud und Maeterlinck. 2018 erhielt er für seine Arbeit den Ernst von Siemens Musikpreis.

Komponieren an einem Text heißt immer auch, diesen Text zu verändern.
Beat Furrer

Dramatik durch Musik, nicht durch Handlung

Beat Furrer, Ernst von Siemens Musikpreisträger 2018 | Bildquelle: Manu Theobald Beat Furrer | Bildquelle: Manu Theobald Furrer verwendet Texte nicht als Schablone für seine Werke, sondern verändert diese immer. Er suche darin nach einem bestimmten Klang, wie er sagt, und auch nach darin enthaltenen rhythmischen Strukturen. Wenn er Texte vertont, dann im eigentlichen Sinn des Wortes - in einzelnen Silben, Vokalen, Konsonanten.

Oper im klassischen Sinn komponiert Furrer nicht, Figuren gibt es keine. Dramatik entsteht nicht durch Handlung, sondern durch Musik. Ein "Hörtheater" - vielleicht ist das der passende Begriff für das, wonach Furrer sucht: eine neue Verbindung von Bild und Sprache im Medium des Klangs. Darin liegt die zentrale Lektion, die Beat Furrer als Professor in Graz seinen Studenten weitergibt: nur keine bewährten Konzepte reproduzieren.

Infos zum Konzert

Freitag, 8. März 2019, 19 Uhr

München, Herkulessaal der Residenz

Beat Furrer
Schnee-Szenen
für zwei Soprane und Orchester
aus der Oper "Violetter Schnee"
Uraufführung der Konzertfassung

Konzert für Klavier und Orchester

Enigma Nr. 1–7
für gemischten Chor a cappella
Erstaufführung des Gesamtzyklus

Yeree Suh, Sopran
Sophia Burgos, Sopran
Nicolas Hodges, Klavier

Chor des Bayerischen Rundfunks
Yuval Weinberg, Einstudierung
Rupert Huber, Leitung

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Peter Rundel, Leitung

BR-KLASSIK sendet den Mitschnitt dieses Konzerts am 22.03.2019 um 20.05 Uhr im Radio.

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