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Der Trompeter Sergej Nakariakov "Ich bin froh, dass ich zwei Stimmen habe"

Sergej Nakariakov, der "Paganini der Trompete", ist "Artist in Residence" beim Georgischen Kammerorchester Ingolstadt. Am 16. Januar konzertiert er mit dem Orchester in dieser Stadt; auf dem Programm stehen, neben zwei Haydn-Symphonien, Konzerte von Mozart und Widmann. Nakariakov interessiert sich jedoch nicht nur für Klassik und Moderne, sondern auch für den Jazz, wie er im Interview verrät.

Sergej Nakariakov | Bildquelle: © Thierry Cohen

Bildquelle: © Thierry Cohen

BR-KLASSIK: Sie spielen Trompete und Flügelhorn – und das komplette Repertoire, das für diese Instrumente geschrieben wurde, vom Barock bis in die Moderne. Außerdem spielen sie eigene Arrangements. Gibt es für Sie überhaupt irgendwelche Grenzen – spieltechnisch oder musikalisch?

Sergej Nakariakov: Das ist ein großes Kompliment, wie Sie das sagen. Ich muss aber gestehen, dass ich nicht wirklich ein Barockspezialist bin, auch wenn ich manchmal Alte Musik spiele. Aber weil Sie über Grenzen sprechen: ich glaube, dass es die in der Musik nicht gibt. Musik ist immer grenzenlos, sie entwickelt sich immer weiter. Das ist ja das Tolle an ihr.

Die Herausforderungen des Absurden

BR-KLASSIK: Sie spielen beim Konzert mit dem Georgischen Kammerorchester ein Stück, das Jörg Widmann eigens für Sie geschrieben hat. Titel: "ad absurdum" – da fragt man sich natürlich, was hier absurd ist. Ist das Stück absurd virtuos?

Sergej Nakariakov: Ja, das Stück ist tatsächlich absurd schwer – und nicht nur für den Solisten. Für das Orchester genauso. Das Publikum liebt es, aber es ist immer wieder eine riesige Herausforderung, das zu spielen. Ein unheimlich virtuoses Stück, mit einem wahnsinnigen Drive.

Ich wurde einfach nicht warm mit dem Klavier.
Sergej Nakariakov

Der Vater als Lehrer

BR-KLASSIK: Ihr Vater ist Klavierlehrer, die Mutter Ingenieurin – wer von beiden war strenger, was Ihre musikalische Erziehung anging? Oder hatten sie elterliche Strenge gar nicht nötig?

Trompeter Sergej Nakariakov | Bildquelle: © Thierry Cohen Sergej Nakariakov | Bildquelle: © Thierry Cohen Sergej Nakariakov: Doch, den Druck habe ich schon gebraucht. Vor allem, als ich noch Klavier gespielt habe. Damals saß meine Mutter immer neben mir und hat aufgepasst, dass ich ordentlich übe. Trotzdem: Ich wurde einfach nicht warm mit dem Klavier. Als ich dann angefangen habe, Trompete zu spielen, hat das gleich viel mehr Spaß gemacht. Von da an war mein Vater mein Lehrer, hat mich auf Konzertreisen begleitet und so weiter. Ich hatte natürlich auch Unterricht bei Trompetern. Aber der, der mir sozusagen Musik beigebracht hat, der immer bei mir war - das war mein Vater. Er konnte mir natürlich nicht zeigen, wie ich in die Trompete blasen sollte. Er selbst war ja kein Trompeter. Aber glücklicherweise habe ich vieles ganz intuitiv richtig gemacht und musste deswegen auch nie meine Spieltechnik umstellen.

Trompete und Flügelhorn – Tenor und Bariton

BR-KLASSIK: Sie spielen Trompete und Flügelhorn, beides extrem virtuos. Sind das Schwesterinstrumente oder liegen da Welten dazwischen, was zum Beispiel den Klang oder die Technik angeht?

Sergej Nakariakov: Natürlich gibt es da viele Ähnlichkeiten. Beides sind Blasinstrumente. Beide haben ein ähnliches Mundstück. Aber klar, das Flügelhorn ist ein bisschen größer und vor allem tiefer. Hat einfach eine andere Stimmlage wie die Trompete, ein bisschen so wie Tenor und Bariton. Oder Geige und Cello. Zwei unterschiedliche Farben. Ich bin froh, dass ich zwei Stimmen habe, mit denen ich unterschiedliches Repertoire spielen kann. In Ingolstadt spiele ich das Hornkonzert von Mozart zum Beispiel auf dem Flügelhorn und den Widmann auf der Trompete.

Mit geschlossenen Augen schießen

BR-KLASSIK: Sind ihre Lippen das, was bei Pianisten und Geigern die Finger sind – das Teuerste, was Sie haben? Und was tun Sie, um die Lippen gut zu pflegen?

Sergej Nakariakov: Jedes Instrument hat seine eigenen Schwierigkeiten. Verglichen mit uns Blechbläsern, haben Pianisten natürlich viel mehr Noten zu spielen, verschiedene Stimmen. Wir müssen nur eine Stimme spielen. Aber dafür sehen wir die Töne nicht. Es ist unmöglich zu sagen, was genau man mit den Lippen machen muss, um einen bestimmten Ton zu produzieren. Wir müssen es einfach fühlen. Ein bisschen so als würde man mit geschlossenen Augen schießen.

Die Liebe zum Jazz

BR-KLASSIK: Sie pflegen eine künstlerische Freundschaft zu Till Brönner – was geben Sie einander und was nehmen sie von ihm mit, künstlerisch und was das Trompetespielen angeht?

Sergej Nakariakov: Till ist natürlich ein großartiger Musiker. Und wir sind schon lang befreundet seit wir uns einmal zufällig in Japan in einem Jazzclub getroffen haben. Wir haben dann jahrelang auf die Gelegenheit gewartet, mal etwas zusammen zu machen – und als die Gelegenheit dann da war, hat es mir wirklich großen Spaß gemacht. Wir haben zusammen Konzerte gegeben sind durch Deutschland getourt. Ich habe mich einfach inspirieren lassen – generell von der Musik. Es geht da nicht um irgendwas Bestimmtes. Ich liebe es einfach, Jazz zu hören und habe auch viele Aufnahmen von Till, die ich ganz toll finde. Ich glaube, großartigen Musikern zuzuhören, wirkt sich immer positiv darauf aus, wie man selbst spielt.

Infos zum Konzert

16. Januar 2019, 20:00 Uhr
Ingolstadt, Festsaal

Joseph Haydn:
Symphonie Nr. 34 d-Moll
Jörg Widmann:
"ad absurdum", Konzertstück für Trompete und kleines Orchester
Wolfgang Amadeus Mozart:
Konzert für Flügelhorn und Orchester Nr. 4 Es-Dur KV 495 (nach dem Hornkonzert Nr. 4)
Joseph Haydn:
Symphonie Nr. 27 G-Dur

Sergei Nakariakov (Trompete und Flügelhorn)
Georgisches Kammerorchester Ingolstadt
Leitung: Ruben Gazarian

Sendung: "Leporello" am 15. Januar 2019 ab 16:05 auf BR-KLASSIK

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