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Wolfgang Amadeus Mozart Klarinettenquintett KV 581

Mit seinem Klarinettenquintett legte Mozart den Grundstein für diese Gattung. Geschrieben hat er es für einen Freund - fünf Stimmen, die ineinander verwoben sind. Klarinettist Jörg Widmann spricht von schwer greifbarer Schönheit.

Der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart. Anonymes Gemälde von 1771. | Bildquelle: picture alliance/Leemage

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Das starke Stück zum Anhören

Ein Abend im Jahr 1784. Wolfgang Amadeus Mozart sitzt im Parkett des Wiener Burgtheaters und starrt auf die Bühne. 13 Musiker stehen dort, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Bassetthörner, vier Waldhörner, zwei Fagotte und ein Kontrabass. Sie spielen seine Gran Partita. Gut sind sie, alle sind sie gut, aber einer von ihnen ist ganz besonders gut. Der Klarinettist dort vorne, mit dem roten, pickligen Gesicht und den großen Händen, der Hofklarinettist Anton Stadler. Mozart schließt die Augen. Noch niemals hat ihn der Klang einer Klarinette so berührt wie heute, und als er das Wiener Burg-Theater an diesem Abend verlässt, hat er Tränen in den Augen und im Herzen Musik, die nur darauf wartet, von genau diesem Anton Stadler gespielt zu werden.

Stadler – Mozarts Logenbruder und Freund

Seit jenem Abend im Burgtheater bringt Wolfgang Amadeus Mozart dem etwas älteren Anton Stadler eine lebenslange unerschütterliche Freundschaft entgegen. Egal was der Musiker tut, wie sehr er auch lügt, stiehlt oder die Zuneigung des großen Komponisten ausnutzt, für Mozart bleibt er sein geliebter Logenbruder und Freund Anton Stadler, das "Ribisel-G'sicht". Er bleibt der Adressat seiner schönsten Melodien, die Stimme seiner späten Gedanken. Neben dem "Kegelstatt-Trio" und seinem berühmten Klarinettenkonzert schreibt Mozart Anton Stadler eine seiner privatesten und intimsten Kompositionen auf den Leib: das Klarinettenquintett A-Dur.

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Schwer greifbare Schönheit

Jörg Widmann | Bildquelle: Marco Borggreve Jörg Widmann | Bildquelle: Marco Borggreve Der Komponist und Klarinettist Jörg Widmann betrachtet Mozarts Klarinettenquintett als interpretatorische Herausforderung: "Es ist tastsächlich ein vollkommen abgeklärtes Stück, von einer Schönheit, die man gar nicht greifen kann, die man auch als Interpret insofern schwer herstellen kann, als man unbewusst bewusst spielen muss. Sobald ich schon zu genau weiß, wo es hingehen wird, dann wird es so klingen, als ob ich mit dem Zeigefinger darauf hinweisen würde; und das ist immer die am wenigsten subtile Variante. Ich muss also diese harmonischen Einbrüche und die seltsamen Harmonien genau kennen, ohne ständig ein Ritardando zu machen, wenn so etwas kommt. Einerseits muss ich jeden Takt kennen, um dann in dem Moment kindlich zu staunen über den Klang einer bestimmten Stelle."

Vermeintliche Fehler machen die Musik einzigartig

Das Klarinettenquintett in A-Dur ist ein Werk der Freundschaft und genau dieser freundschaftliche Gestus bestimmt auch seine Grundanlage. Fünf Stimmen, die ineinander verwoben sind und sich ergänzen, sich Raum geben und aneinander reiben. Nach den kompositorischen Regeln des strengen Satzes weist das Klarinettenquintett eine ganze Reihe satztechnischer Verstöße auf. Einige Zeitgenossen haben sich sogar die Mühe gemacht, diese vermeintlichen Fehler nachzuweisen, ohne dabei zu verstehen, dass gerade diese Ausnahmen, Mozarts Grenzgängertum, seine Musik so einzigartig machen.   

Ich kenne von Mozart kaum ein Streichquartett, wo er so extrem dissonant schreibt.
Jörg Widmann über das Menuett des Klarinettenquintetts

Kunstvolle Techniken, kunstvoll verborgen

"Ich finde, das schönste Streichquartett, das Mozart geschrieben hat, findet sich im ersten Trio des Menuetts", begeistert sich Jörg Widmann. "Ich kenne von Mozart kaum ein Streichquartett, wo er so extrem dissonant schreibt. Da gibt es so viele Vorhalte, da sind heftigste Dissonanzen auf jeder betonten Zählzeit. Und dann auch noch mit Späßen wie Kanons. Allein die Techniken, die er verwendet, sind ungeheuer kunstvoll, aber auch hier verbirgt er sie wieder so kunstvoll."

Die Tonart der Freimaurer

Ebenso wie sein Schwesterwerk, das Klarinettenkonzert, schreibt Mozart sein Quintett in A-Dur. Bewusst wählt er die Tonart mit den drei Kreuzen, die Tonart der Freimaurer, die Tonart seiner Freundschaft zu Anton Stadler. Viel Licht, aber mindestens ebenso viel Dunkelheit – das vielstrapazierte Bild des "Lächelns unter Tränen". Bereits mit dem vierten Akkord bricht Mozart die strahlende A-Dur-Stimmung, um eine zweite Ebene einzuführen, den immer mitwandernden Schatten der fis-Moll-Melancholie.

Mozart formuliert in diesem Adagio das Ernsteste, wozu er fähig ist, und plötzlich sagt er: Ach nee, alles halb so schlimm.
Jörg Widmann zum dritten Satz des Klarinettenquintetts

Stimmungswechsel wie unstete Wolken

Historische Klarinette | Bildquelle: imago/imagebroker Historische Klarinetten | Bildquelle: imago/imagebroker Die subtile Trauer seiner späten Werke durchzieht Mozarts Klarinettenquintett wie ein roter Faden. Immer wieder verändern die so typischen Stimmungswechsel den Gestus des Werks. Wie unstete Wolken wechseln im dritten Satz zum Beispiel heitere und lichte Variationen mit verhangenen Moll-Passagen ab. Die herbstliche Bratschenvariation, die Mozart wohl auf Grund seiner persönlichen Liebe zur Bratsche eingefügt hat, vergleicht Jörg Widmann mit dem Bild eines traurigen Clowns: "Das ist das einzige Bild, das ich dazu habe. Es ist so traurig, dass es schon wieder nicht traurig ist. Dann geht es über in eine wahnsinnig heitere Variation und plötzlich kommt ein Dominantseptakkord, und was kommt, ist ein wahnsinnig anrührendes Adagio. Das wird erst nach E-Dur aufgelöst und dann kommt wieder das Thema in A-Dur. Ich vergleiche das manchmal mit Einsteins herausgestreckter Zunge. Mozart formuliert in diesem Adagio das Ernsteste, wozu er fähig ist, und plötzlich sagt er: Ach nee, alles halb so schlimm. Und dann geht's wieder weiter, man fühlt sich, als ob man in kaltes Wasser springt. Und diese Momente sind vielleicht die entscheidenden, weil sie uns seine Persönlichkeit näherbringen. Es ist halt Mozart: unerreicht."

Musik-Info

Wolfgang Amadeus Mozart:
Quintett für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello A-Dur, KV 581 "Stadler-Quintett"


Jörg Widmann (Klarinette)
Vogler Quartett
Konzertmitschnitt

Sendung: "Das starke Stück" am 10. Januar 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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