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Camille Saint-Saëns Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 1

Der französische Komponist Camille Saint-Saëns war ein Wunderknabe par excellence: Bereits mit dreieinhalb Jahren schrieb er seine ersten Stücke, er war ein glänzender Klavier- und Orgelvirtuose. Seine erste Cellosonate ist ein kraftvolles, dramatisches Werk voller Kontraste und Gefühlsausbrüche. Und es verrät viel über den Komponisten und den Menschen Camille Saint-Saëns. Barbara Doll stellt das Werk gemeinsam mit dem Cellisten Christian Poltéra vor.

Camille Saint-Saëns | Bildquelle: Wikimedia Commons

Bildquelle: Wikimedia Commons

Das starke Stück zum Anhören

Hochdramatisch, streng und unerbittlich klingen die Anfangstakte von Camille Saint-Saëns' Erster Cello-Sonate in c-Moll. Wenn man erraten müsste, wer diese Sonate geschrieben hat - man würde wohl nicht gleich auf Saint-Saëns kommen. Auf den Komponisten, der so feine, lyrische Musik wie den "Schwan" aus dem "Karneval der Tiere" für das Cello komponiert hat. Seine erste Sonate für das Instrument aber entstand fast 15 Jahre früher: 1872. Saint-Saëns hatte gerade einen großen Erfolg mit seinem Ersten Cellokonzert gefeiert und war fasziniert von der packenden Dramatik des Instruments. Der schroffe Ton, den er zu Beginn seiner Sonate anschlägt, erinnert den Schweizer Cellisten Christian Poltéra an ein Komponisten-Vorbild der Wiener Klassik: an Beethoven.

Saint-Saëns als Revolutionär

Der Cellist Christian Poltéra | Bildquelle: Neda Navaee Cellist Christian Poltéra | Bildquelle: Neda Navaee Dass Camille Saint-Saëns Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris Musik geschrieben hat, die Beethoven nacheifert - das war damals revolutionär. Denn das Publikum liebte die französische Oper und stand der Instrumentalmusik - ganz besonders der Kammermusik - eher feindlich gegenüber. Außerdem gehörte Saint-Saëns zu den ersten Verfechtern Richard Wagners in Frankreich: Auch das war revolutionär. Später aber verschloss sich der Komponist neuen Strömungen und geriet im Laufe seines 86-jährigen Lebens immer stärker ins Abseits. Vor allem von den Impressionisten wurde Saint-Saëns als "Reaktionär" beschimpft. "Hoffnungslos veraltet" nannte man seine Musik. Für Christian Poltéra spielt es keine Rolle, ob Saint-Saëns nun "zeitgemäß" komponiert hat oder nicht. In seiner ersten Cellosonate hat er die klassische Sonatenform mit einer ganz eigenen, berührend schönen Melodik ausgestaltet. Etwa im Andante: "Wenn die Streicherstimme dann verdoppelt wird und wirklich unisono ist mit dem Klavier, da entsteht ein ganz anderer Klang. Man fühlt sich dann als Cellist so, als würde die eigene Stimme dann so getragen werden."

Ein Universalgenie

Ein intimes Zwiegespräch zwischen Cello und Klavier hat Saint-Saëns geschrieben - eines, das wie ein Choral klingt. Das verwundert nicht, schließlich war er ein hervorragender Organist. Jeden Sonntag spielte Saint-Saëns in der berühmten Pariser Église de la Madeleine. Die berühmtesten Musiker Europas besuchten Saint-Saëns auf der Orgelempore: Anton Rubinstein, Clara Schumann, sogar Franz Liszt. Der rief begeistert: "Saint-Saëns ist der beste Organist der Welt!" Dabei war er nicht nur ein exzellenter Musiker, sondern auch Dichter, Maler, Archäologe. Kurz: ein Universalgenie. Saint-Saëns führte also ein intellektuell erfüllendes Leben. Aber wie sah es emotional aus?

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Die Mutter als oberste Instanz

Unnahbar soll der Komponist gewirkt haben, vor allem auf Frauen. Er war fast 40, als er schließlich die 19-jährige Schwester eines Schülers heiratete. Eine unglückliche Verbindung: Beide Kinder starben kurz hintereinander, die Ehe ging auseinander. Die wichtigste Frau in Saint-Saëns' Leben war und blieb seine Mutter. Ihr war er sogar in musikalischen Fragen hörig - auch bei seiner Ersten Cellosonate. So berichtet der Komponist Charles-Marie Widor von der privaten Uraufführung des Werks: "Die Sonate hatte großen Erfolg gehabt; alle Gäste waren gegangen, und der glückliche Autor war allein mit seiner Mutter - sehr überrascht, von ihr kein Kompliment zu hören. Hast du mir nichts zu sagen? Bist du nicht zufrieden? Die beiden ersten Sätze sind gut, das Finale dagegen ist nichts wert. Camille war sprachlos, wünschte seiner Mutter eine gute Nacht und zog sich zurück. Nach zehn Tagen wandte er sich schüchtern an seine Mutter - Ich habe ein neues Finale komponiert, würdest du es dir anhören? Es ist das Finale, das wir kennen." Ob Saint-Saëns' Mutter schließlich zufrieden war, ist nicht überliefert. Jedenfalls schrieb der eingeschüchterte Sohn ein Finale voller Leidenschaft und Feuer, stürmisch und hochvirtuos.

Musik-Info

Camille Saint-Saëns: Sonate für Violoncello und Klavier, Nr. 1, c-Moll, op. 32

Christian Poltéra, Violoncello
Kathryn Stott, Klavier

Label: Chandos

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