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Erfinder des Metronoms Das abenteuerliche Leben des Johann Nepomuk Mälzel

Johann Nepomuk Mälzel war ein geschäftstüchtiger Erfinder, ein begnadeter Mechanikus und stets auf der Suche nach dem nächsten Coup. Er hatte immer zur rechten Zeit die rechte Idee und schrieb so im Schatten eines großen Komponisten Geschichte.

Ein Metronom steht in einem Gymnasium in Frankfurt am Main während des Musikunterrichtes auf dem Flügel. Aufnahme vom 29.08.2008.  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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"Ta ta ta lieber Mälzel, leben Sie wohl! Banner der Zeit, großer Metronom!" Vier Herren hatten an einem Abend im Frühjahr 1812 angeblich nichts Besseres zu tun, als zu singen. Ein Allegretto scherzando auf eine Melodie, die einem der Anwesenden in den Sinn gekommen war. Sie sollte später in eine Sinfonie eingehen. Da schien ein mechanisches Uhrwerk unerbittlich zu ticken - und zu stocken? Aber das interessierte Niemanden. Denn alles drehte sich um Mälzel. Johann Nepomuk Mälzel, Kaiserlicher Hofkammermaschinist in Wien.

Geschäftlich nach England

Ludwig van Beethoven | Bildquelle: picture-alliance/dpa Ludwig van Beethoven | Bildquelle: picture-alliance/dpa Ein geschäftstüchtiger wie ideenreicher Erfinder. Sie waren sehr neugierig, was der liebe Herr Mälzel vorhatte mit seinen erstaunlichen Apparaten. Eine Abenteuer- und Geschäftsreise nach England. Dort wollte er seinen vielstimmig aufspielenden Orchesterimitationsapparat, ein Panharmonikon, und einen mechanischen Feldtrompeter dem staunenden Publikum vorführen. Anton Schindler, ein verkrachter Jurist und Beethovens unbezahlter Privatsekretär, überlieferte über diesen Abend im Jahr 1812: "Beethoven, im vertraulichen Kreise gewöhnlich heiter, witzig, satyrisch, 'aufgeknöpft', wie er es nannte, hat bei diesem Abschiedsmahle nachstehenden Kanon improvisiert, der sofort von den Teilnehmern abgesungen worden."

"Ich selbst würde mich an die große Trommel gestellt haben", gab sich Beethoven ein Jahr später bescheiden und dirigierte ein lärmendes Spektakel, das er kaum noch hören konnte. Ein musikalisches Schlachtengemälde. Es war dazu gedacht, um in England groß raus zu kommen. Hinter dieser Idee steckte natürlich Mälzel, der seine Reise immer noch nicht angetreten hatte. Er hatte es sich anders überlegt. Die kriegerische Lage in Europa hatte sich wenig später ohnehin geändert. Welllingtons Sieg. Beethovens Triumph?

Mälzels Triumph?

Gemälde von François Pascal Simon Gérard | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Napoleon | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Komponiert für Mälzels musikalischen Orchesterimitationsapparat - das besagte Panharmonikon. Skizziert hatte Mälzel das Werk selbst. Er hatte Beethoven sogar einen Verlaufsplan dieser Schlachtenmusik, Sammlungen von Signalen und Militärmärschen untergeschoben. Doch nun musizierte statt des Mälzel'schen Imitationsapparates ein großes Orchester bei einer Akademie im Dezember 1813.

Napoleon erlitt nun auch im Konzertsaal eine schwere Niederlage. Mit täuschend echten Kanonenschüssen, Trommelwirbeln, Janitscharenmusik und unter Einsatz eines mechanischen Feldtrompeters. Ein unverwundbarer Krieger. Die lebensgroße Puppe mit den regungslosen Zügen - bunt kostümiert, neu instand gesetzt - blies auf einer ventillosen Trompete die Signale zum Angriff.  Mälzels Triumph?

Kaiserlicher Hofkammermaschinist

Ölgemälde von Isidor Neugass | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn Ludwig van Beethoven | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn "Ich speise heute bei Mälzel", teilte Beethoven einem Freund irgendwann 1813 mit und begab sich die das Kabinett des Tüftlers. Die Werkstatt des Kaiserlichen Hofkammermaschinisten in Schloss Schönbrunn. Eine Kammer, vollgestopft mit mechanischen Wunderwerken: Flötenuhren, künstlichen Gelenken und anderen zusammenklappbaren Apparaten. Mälzel war spätestens seit der Erfindung seines Panharmonikons eine europäische Berühmtheit.

Er war einst als Klavierlehrer und Mechaniker aus Regensburg nach Wien gekommen. Sein abenteuerlicher Lebenslauf weist viele Lücken auf. Doch sollte er der Nachwelt als Erfinder eines musikalischen Zeitmessgeräts, einem Metronom, in Erinnerung bleiben. Dieses sollte er sich zumindest als Erster patentieren lassen. Aber das ist eine andere Geschichte. Beethoven setzte vorerst andere Hoffnungen in Mälzel.

Künstliche Intelligenz

gezeichnetes Komponistenporträt von Ludwig van Beethoven mit Hörrohr | Bildquelle: BR/Illustration: Teresa Habild Ludwig van Beethoven | Bildquelle: BR/Illustration: Teresa Habild Beethoven ertaubte, doch den Kriegslärm vernahm er deutlich: "Welch zerstörendes, wüstes Leben um mich her“, klagte er nach dem Einmarsch der Franzosen 1809 in Wien, "nichts als Trommeln, Kanonen, Menschenelend, aller Art." Joseph Haydn starb nahezu unbeachtet, denn die eigentliche Sensation machte Mälzels mechanischer Feldtrompeter. Der auf dem Balkon von Schloss Schönbrunn den Sieg des kleinen Korsen verkündete.

Was Mälzel nicht hinderte, Napoleon wenig später mit seinem Schachtürken aufs Kreuz zu legen - einem mechanischen Schachspieler im orientalischen Gewand. Der angeblich auch schon Friedrich den Großen im Schachspiel besiegt hatte. Ein Erbstück sozusagen, was Mälzel aber verschwieg, um ihn als seine eigene Erfindung auszugeben. Das staunende Publikum rätselte über das Wesen der künstlichen Intelligenz. 

Endstation Alkohol

"Nach und nach wurden vier Hörmaschinen fertig, von denen Beethoven aber nur eine brauchbar fand", berichtete Schindler später über die Begegnung des Komponisten mit dem Mechaniker. Als fauler Zauber erwies sich der Schachautomat erst viele Jahre später, als der viel reisende Abenteurer sein Glück in Amerika suchte. "Es brennt", rief ein Zuschauer gewitzt während einer Vorführung in Detroit. Und da entstieg ein Mensch der Puppe. Mälzel war nun endgültig entzaubert.

Er verfiel dem Alkohol. Sein Leben fand ein unerwartetes Ende vermutlich bei einem nächtlichen Trinkgelage auf einem Schiff vor der Küste Venezuelas. Sein Grab? Der Kaiserliche Hofkammermaschinist wurde kurzerhand mit einer Kugel in der Bucht von La Guira auf dem Grund des Meeres versenkt. Und auch das Original des Kanons auf den findigen Mechanicus blieb verschwunden. Vermutlich eine geniale Erfindung, ersonnen von einem nicht weniger fantasiebegabten Kopf: Anton Schindler - Beethovens unbezahltem Privatsekretär: "Ta Ta ta ta , lieber Mälzel, leben Sie wohl, Banner der Zeit, großer Metronom?"

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