Festspielzeit 2024
Der Musiksommer mit BR-KLASSIK
Das Unterfangen des im Januar 2017 verstorbenen österreichischen Autors Ernst M. Binder, Virginia Woolfs Roman "Die Fahrt zum Leuchtturm" in ein Opernlibretto zu verwandeln, erinnert an das Gleichnis vom Gordischen Knoten. Literaturkenner nennen dieses Buch in einem Atemzug mit James Joyces "Ulysses": In einem anspruchsvollen Bewusstseinsstroms wird das Innenleben einer Sommergesellschaft auf der Isle of Skye vor und nach dem Ersten Weltkrieg dargestellt. Am 16. August wurde jetzt mit "To the Lighthouse" die Oper zum Buch in Bregenz uraufgeführt - die Musik stammt von Zesses Seglias.
Bildquelle: Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
Wolf-Dieter Peter im Gespräch zu "To the Lighthouse"
Kollegengespräch zu "To the Lighthouse"
Librettist Binder behielt die englische Sprache bei und formte drei Szenen - analog zu den drei Kapiteln des Buchs. Eine Pause gab es nicht. Zesses Seglias schichtete mehrfach die Sätze der handelnden Personen übereinander - woraus aber nicht annäherungsweise ein stimmiges Ensemble entstand, sondern eine logisch oder theatralisch nicht mehr verfolgbare Klangballung. Bei einzelnen Äußerungen von Mr. und Mrs. Ramsay, ihres Sohnes James (der zum Leuchtturm will), der jungen Malerin Lily und drei Randfiguren verwendete der 1984 in Griechenland geborene Seglias dialogisches Sprechen, Hauchen, Wortzerstückelungen auf gestoßenen Tönen, mal harmonische, mal dissonante Phrasen und Diskantsprünge.
Die Inszenierung in Bildern
Uraufführung der Oper "To the Lighthouse" von Zesses Seglias auf der Werkstattbühne der Bregenzer Festspiele | Bildquelle: Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
Zum Streicher-Kern aus Musikern des Vorarlberger Symphonieorchesters fügt Seglias ein vielfältiges Schlagwerk, in dem sich Tam-Tam und Vibraphon ebenso finden wie Klangschale und Porzellanstab. Auch Bassflöten, Sopran- und Baritonsaxophon, Akkordeon, und E-Gitarre sowie teils gezupfte, teils gestrichene Klaviersaiten gehören zu dem farbenfroh besetzten Orchesterapparat. Aus all dem entstand jedoch nichts, was nicht in den letzten Jahren in Donaueschingen oder bei der Münchner Biennale bereits zu hören war. Austauschbar und zu wenig spezifisch wirkte die Musik, trotz des konzentrierten Engagements der Instrumentalisten unter Dirigentin Claire Levacher.
Ausgerechnet das zehnminütige Solo der alten Haushälterin, in dem sie die zehn Jahre um den Weltkrieg, den Tod von Mrs. Ramsay und zweier ihrer Kinder sowie den Verfall des Hauses aufarbeitet, geriet zum Zentrum des anderthalbstündigen Abends. Dalia Schaechter gestaltete diesen Monolog im klassischen psychologischen Realismus - expressiv und spannend wie eine moderne Mutter Courage.
Bühnenbildner Jakob Kolding hatte in der Einführung verkündet, dass die Darsteller Bühnenbildteile mitbrächten und daraus "die Welt bauten". Das beschränkte sich auf einen stilisierten Baum und auf der Bühne aufgestellte asymmetrisch zerschnittene Schwarzweiß-Fotografien. Regisseur Olivier Tambosi reihte auf einem schwarzen Bühnenband die Figuren meist frontal. Aus den reduzierten Gesten und kleinen Gängen erwuchs jedoch zusammen mit Text und Klang keine "innere Welt", keine Sogwirkung hinein in Virginia Woolfs Kosmos: Das Experiment "Bewusstseinsstrom-Oper" ließ ein greifbares musiktheatralischen Ergebnis vermissen.
To the Lighthouse
Kammeroper in drei Teilen
Libretto von Ernst Marianne Binder nach Virginia Woolf
Bregenzer Festspiele, Werkstattbühne
Es gibt eine weitere Vorstellung:
Freitag, 18. August, 20.00 Uhr
Sendung: Leporello am 17. August 2017 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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