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Winrich Hopp - Musikfest Berlin 2017 "Für mich ist die Musik Monteverdis Neue Musik"

Winrich Hopp, der Künstlerische Leiter vom Musikfest Berlin, legt dieses Jahr einen Schwerpunkt auf Monteverdi - passend zum 450. Geburtstag des Komponisten. Dazu gibt es Uraufführungen und ungewöhnliche Werkzusammenstellungen. Eine Programmkombination, die einen neuen Eindruck auf die Zuhörer machen soll.

Winrich Hopp, Künstlerischer Leiter | Bildquelle: Heike Steinweg

Bildquelle: Heike Steinweg

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Winrich Hopp, Sie wollen mit dem Musikfest Berlin keine Klassik-Hitparade veranstalten. Stattdessen kommt bei Ihnen selten Gespieltes und Unbekanntes aufs Programm. In diesem Jahr heißt der Schwerpunkt "Monteverdi 450" - passend zum 450. Geburtstag des Komponisten. Finden Sie denn, dass Monteverdi zu selten aufgeführt wird?

Winrich Hopp: Auf der Opernbühne bestimmt nicht, aber dass Monteverdi Bestandteil des Konzertlebens ist, danach muss man schon suchen. Seine Musik ist schon deswegen im Konzertleben so selten anzutreffen, weil sie - wenn man sie historisch aufführen möchte - ein Instrumentarium erfordert, das heute in unseren Orchestern gar nicht mehr vertreten ist. Als ich von Gardiner das Angebot bekam, die drei Monteverdi-Opern hier in Berlin präsentieren zu können, habe ich sofort ja gesagt. Es gibt nämlich für die Berliner Philharmonie kaum etwas Schöneres, als Monteverdis Musik in diesen Saal, der ja eigentlich für ein Symphonieorchester geschaffen wurde, hineinzubringen. Ich glaube auch, es ist das erste Mal, dass Monteverdi derart prominent dort aufgeführt wird.

Man kann durchaus sagen, dass die Alte Musik auch die Neue Musik ist.
Winrich Hopp

BR-KLASSIK: Sie sind Experte für Neue Musik, haben über Stockhausen promoviert und leiten im Bayerischen Rundfunk die musica viva. Haben Sie dadurch einen anderen Zugang zu Monteverdi?

Claudio Monteverdi | Bildquelle: picture-alliance/dpa Claudio Monteverdi | Bildquelle: picture-alliance/dpa Winrich Hopp: Man kann durchaus sagen, dass die Alte Musik auch die Neue Musik ist. Monteverdi wurde zuerst im 19. Jahrhundert von der Wissenschaft wiederentdeckt. Dass seine Musik allerdings wirklich auf die Bühnen kam, das hat sich erst im Rahmen der Historischen Aufführungspraxis ab den Sechzigerjahren ereignet. Und da gibt es vor allem zwei große Namen: Nikolaus Harnoncourt und John Eliot Gardiner, der mit Monteverdi regelrecht seine Dirigentenkarriere begonnen hat. Dass er sich jetzt, sozusagen im höheren Dirigentenalter, anlässlich des 450-jährigen Jubiläums noch einmal Monteverdis Werken widmet, ist eine ganz tolle Sache. Für mich ist die Musik Monteverdis tatsächlich Neue Musik. Ich erlebe es auch häufig, dass, wenn wir neue Werke von heute aufführen, diese eine große Nähe zur Alten Musik aufweisen.

Die Moderne ähnelt der Alten Musik

BR-KLASSIK: Woran liegt das, dass sich hier so eine Art Klammer bildet?

Winrich Hopp: Ich glaube, dass die frühen Jahrhunderte der Musik - unsere abendländische Musikgeschichte beginnt ja so gegen 900 nach Christus - sehr der Situation ähnelt, in der wir uns heute musikhistorisch befinden. Das war damals auch ein sehr experimentelles Zeitalter: Die Notenschrift wurde erfunden, man hat sehr viele Tonsysteme ausprobiert und es gab keine feststehenden Typologisierungen.

Kleiner Venedig-Schwerpunkt

BR-KLASSIK: Lässt sich Monteverdi daher besonders gut mit zeitgenössischer Musik kombinieren? Und welche Angebote gibt es in dieser Richtung beim diesjährigen Musikfest Berlin?

Isang Yun | Bildquelle: NEOS Ihm ist ein Porträt zum 10. Geburtstag gewidmet: Isang Yun | Bildquelle: NEOS Winrich Hopp: Die drei Monteverdi-Opern bilden sozusagen ein Portal des Festivals, und am Ende gibt es noch Monteverdis Marienvesper. Dazwischen hören wir aber dann tatsächlich - neben dem großen symphonischen Repertoire - Neue Musik, zum Beispiel eine Uraufführung von Rebecca Saunders und Stücke von Harrison Birtwistle. Das sind Werke, die sich mit dem Orpheus-Mythos beschäftigen und dem Stoff der Odyssee. Am Ende des Festivals haben wir ein Porträt, das Isang Yun gewidmet ist. Dieser große koreanische Komponist wäre am 17. September 100 Jahre alt geworden; er war der erste Komponist, der versucht hat, die ostasiatische Musikkultur mit europäischen Kompositionstechniken zu verbinden.

Wir haben auch deswegen eine Brücke zum 20. Jahrhundert, weil Monteverdi nach seiner Zeit in Mantua am Markusdom in Venedig tätig war, bis an sein Lebensende. Insofern bildet auch Venedig einen roten Faden in unserem Programm, der uns bis zu Luigi Nono führt, dessen "Canto sospeso" in Berlin zur Aufführung gelangt.

Es passt, eine Musik, die für eine Kathedrale geschrieben wurde, mit einer Bruckner-Symphonie zu kombinieren.
Winrich Hopp

BR-KLASSIK: Herr Hopp, Sie sind bekannt dafür, mutig zu sein und Orchester herauszufordern, sich nicht nur mit dem herkömmlichen Standardprogramm zu präsentieren. Wo findet sich auf den Berliner Festwochen so ein außergewöhnliches Orchesterkonzert?

Winrich Hopp: Das Concertgebouworkest kommt mit Bruckners Neunter Symphonie. Vorher erklingt die "IN-SCHRIFT" von Wolfgang Rihm. Das Stück wurde Mitte der Neunzigerjahre für den Markusdom von Venedig komponiert - ein klangmächtiges Werk. Und es passt irgendwie, eine Musik, die für eine Kathedrale geschrieben wurde, mit einer Symphonie von Bruckner zu kombinieren. Ich erhoffe mir, dass die bekannteren Werke durch die Kombination mit zeitgenössischer Musik einen neuen Eindruck auf den Hörer machen werden.

Die Fragen stellte Kathrin Hasselbeck für BR-KLASSIK.

Infos zum Musikfest Berlin

Das Musikfest Berlin 2017 beginnt am 31. August und läuft bis zum 18. September.
Es steht unter dem Motto "Monteverdi 450".

Das komplette Programm sowie viele weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Festivals.

Sendung: "Leporello" am 30. August 2017 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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