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"Dr. Faust jun." von Hervé Operette mit Parodie auf Goethe und Gounod

"Faust" einmal anders: Der Komponist Florimond Ronger alias Hervé hat aus der deutschen Tragödie eine bissig-böse französische Komödie gemacht. Die Operette "Dr. Faust jun." hatte im vergangenen Jahr am Münchner Gärtnerplatztheater Premiere. Die Aufzeichnung gibt es ab sofort zum Nachhören.

1869 zerstückelte der Komponist und Librettist Florimond Ronger alias Hervé die originale Tragödie von Wolfgang von Goethe wie auch die Oper "Faust" (auch als "Margarete" bekannt) von Charles Gounod und setzte die Einzelteile wieder neu zusammen. Das Ergebnis: die heiter-bissige Operette "Dr. Faust jun.", eine verzerrte Version des Originals, ein Kaleidoskop ganz eigenen Charakters.

Faust um den Verstand gebracht

Natürlich dreht sich im Stück alles um Dr. Faust, den alten Lehrer. Als er eine neue Schülerin bekommt, ist es um ihn geschehen. Die kokette Marguerite bringt ihn um den Verstand. Faust wäre gerne wieder jung und frisch, um ihr ebenbürtig zu sein. Und um sie heiraten zu können, wie er sagt. Faust bemerkt dabei nicht, dass das Mädchen weder treu noch brav ist - oder es je sein wird. Marguerite ist kokett, verschlagen und sexy. Sie will das Leben genießen mit allem, was ihr zur Verfügung steht. So klug Faust ist: Sein Verstand lässt ihn hier im Stich. Und gerne gibt er den Rest davon dem Teufel, wenn er dafür im Gegenzug Marguerite bekommt.

Früh bis spät nur Rausch und Genuss, ich schwelge in Tanz und Theater, doch hab‘ ich von alldem nur Kater, und das, was mir bleibt, ist Verdruss!
Faust

Der Teufel ist weiblich

Marguerite/Gretchen ist zwar deutsch, blond und keusch, wie sie selbst sagt - aber auch sehr französisch-frivol und erfahren. Was die Welt im Innersten zusammenhält, interessiert Faust nun gar nicht mehr. Vielmehr geht er freudig den Teufelspakt ein, wenn er nur jung und begehrenswert genug sein kann für dieses Rasseweib. Mephisto hat hier eine Sopranstimme - der Teufel ist weiblich.

Komponist im Zwielicht

Florimond Ronger alias Hervé schien der ideale Mann für einen derartigen Stoff zu sein, denn er hatte ein Doppelleben: Einerseits war er ein braver Kirchen-Organist. In dieser Funktion trat er unter seinem Taufnahmen Florimond Ronger auf. Nachts, in der Halbwelt von Paris, verwandelte er sich hingegen zum Bühnensänger. Er war auch Dirigent, Librettist, zeitweise Theaterdirektor und Komponist frivoler Stücke. In diesen "Rollen" nannte er sich Hervé. Der Unterschied zwischen Schein und Sein, zwischen Tag- und Nachleben, zwischen Fassade und Wahrheit war ihm daher geläufig. Diese Gegensätze hat er in seiner Operette deutlich herausgearbeitet.

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