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Eva-Maria Höckmayr bei Meine Musik - zum Anhören "Opernregie kann man nicht lernen"

Die junge fränkische Regisseurin Eva-Maria Höckmayr ist für ihre Operninszenierungen bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Vor kurzem hat sie in der Berliner Staatsoper bei Claudio Monteverdis "L'Incoronazione di Poppea" Regie geführt. Im Interview mit BR-KLASSIK verrät sie, was sie vom vieldiskutierten Begriff "Regietheater" hält, und was man sich von berühmten Regiekollegen abschauen kann.

Die Opernregisseurin Eva-Maria Höckmayr | Bildquelle: Martin Baumgartner

Bildquelle: Martin Baumgartner

BR-KLASSIK: Als Jugendliche wollten Sie von Beruf Psychologin werden, zumindest haben Sie es in Erwägung gezogen. Ist der Beruf einer Regisseurin dem einer Psychologin in gewisser Weise ähnlich, auch wenn das Wirkungsfeld die Opernbühne ist und nicht der Sessel und die Couch?

Eva-Maria Höckmayr: Es gibt auf jeden Fall eine Verwandtschaft. Ich habe damals überlegt, ob ich Psychologin werden soll, aber auch Innenarchitektin oder Literaturwissenschaftlerin. Ich habe dann darüber nachgedacht, in welchem Bereich man vielleicht alle drei Dinge miteinander verbinden könnte. Und so bin ich auf Regie gekommen. Diese Stränge verbinden sich wirklich fantastisch in diesem Beruf. Was mich aber noch viel mehr interessiert, ist die Psychologie der Figuren auszudeuten. Das ist ein spezielles Interesse von mir.

Der Umgang mit der Partitur

BR-KLASSIK: Sie haben Musiktheaterregie an der Bayerischen Theaterakademie in München studiert. Wie kann man Regie lernen?

Eva-Maria Höckmayr: Ich glaube, das kann man nicht lernen. Was man vermitteln kann, ist - gerade im Bereich der Oper -, wie man mit einer Partitur umgeht, und wie man sich auf die Suche machen kann nach Divergenzen zwischen der Musik und dem Text. Es geht um ein Befragen und ein gegenseitiges Untersuchen. Das Spezielle an der Ausbildung ist, dass man Sprechtheaterregie und Musiktheaterregie gemeinsam studiert. Man darf innerhalb der Projekte, die man in der Ausbildung inszeniert, selber gewichten, also eher sprechtheater- oder musiktheaterlastig. Ich selbst wollte - obwohl ich so viel Klavier gespielt habe - immer zum Sprechtheater. Während des Studiums habe ich dann interessanterweise ein Oratorium ausgewählt und bemerkt, wie wohl es mir tut, Musik zu interpretieren, ohne gesprochene Sprache zu inszenieren.

Der Begriff 'Regietheater' nervt mich manchmal total.
Eva-Maria Höckmayr

BR-KLASSIK: In der Berliner Staatsoper unter den Linden haben Sie letzten Dezember Monteverdis "L'Incoronazione di Poppea" inszeniert. Was sie dort gemacht haben, kann man als modernes Regietheater bezeichnen. Für manche Leute, die eine traditionellere Opernregie bevorzugen, ist das fast ein Schimpfwort. Für andere ist es ein Muss, damit sie überhaupt in die Oper gehen, weil nach deren Aufassung Oper aktuell und für die heutige Zeit etwas zu sagen haben müsse. Bedeutet Ihnen dieser Begriff etwas, oder empfinden Sie ihn eher als Theorie?

Eva-Maria Höckmayr: Manchmal nervt mich der Begriff ehrlich gesagt total, weil ich mich oft frage: Was ist damit gemeint? Zunächst ist für mich ganz klar, dass Oper eine historische Form ist. Und ich finde es selbstverständlich, dass man einen Text aus einem heutigen Blickwinkel befragt. Aus welchen Blickwinkel heraus sollten wir das sonst tun? Ich ärgere mich oft sehr über Scheuklappen - auch manchmal im Gespräch mit Opernliebhabern: Da kann ich oft nicht nachvollziehen, warum der Wunsch besteht, etwas möglichst genauso zu sehen, wie man es sich im ersten Moment vorstellen würde. Ich frage mich immer, was der Mehrwert einer solchen Vorstellung ist. Wenn ich nur noch das sehen möchte, was ich mir sowieso selbst vorstellen kann, wenn ich keinen Dialog mehr führen möchte, dann bin ich eher dafür, etwas konzertant zu zeigen. Dann kann sich jeder seine Vorstellungen und Bilder selbst machen. Das Interessante ist für mich, dass es ein Austausch ist. Aktualität wird außerdem oft so verstanden, dass erst mal alles unmittelbar heutig wirken soll - zum Beispiel die Ausstattung. Oder dass man politische Bezüge, die aus einem aktuellen Kontext herausgegriffen sind, wie eine unhinterfragte Folie einsetzt. Da verstehe ich dann auch das Wort Aktualität nicht mehr. Ich finde das zu oberflächlich.

Eva-Maria Höckmayr in "Meine Musik"

Eva-Maria Höckmayr ist am Samstag, den 17. Februar zu Gast in der Sendung "Meine Musik" - um 11.05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Die Zuhörer emotional infizieren

BR-KLASSIK: Wann sind Sie selbst mit einem Opernabend zufrieden?

Eva-Maria Höckmayr: Ich persönlich bin sehr glücklich, wenn ich meiner inneren Vorstellung, dem inneren Bild nahe komme und auch merke, dass es in der Dynamik eine Energie und Lebendigkeit hat. Ich bin besonders glücklich, wenn ich spüre, dass sich eine Energie überträgt und die Leute emotional infiziert werden.

BR-KLASSIK: Sie haben unter anderem bei Calixto Bieito assistiert, einer ihrer Mentoren war Claus Guth, und auch Jürgen Flimm, der Intendant der Staatsoper Berlin, spielt eine wichtige Rolle für Ihre Arbeit. Wie wichtig ist es von den erfahrenen und etablierten Regisseuren zu lernen? Man muss ja, nehme ich an, seinen eigenen Weg finden - aber was kann man einfach blanko mitnehmen?

Eva-Maria Höckmayr: Das ist eine schwierige Frage. Von jedem Menschen kann man ganz unterschiedliche Dinge mitnehmen. Bei Jürgen Flimm ist es diese unglaubliche Erfahrung, die er über die so viele Jahrzehnte gesammelt hat. Mich fasziniert immer wahnsinnig, wenn ich erlebe, wie psychologisch geschickt er mit Leuten umgehen kann, wie er teilweise verblüffend - ohne jemanden genauer zu kennen - Zusammenhänge sofort erfasst. Oder, wenn es etwa um die Schlichtung eines Konflikts geht, er in seiner Rolle als Intendant sofort die richtigen Knöpfe drücken kann - sogar so subtil, dass der andere das nicht einmal wirklich bemerkt. So ewtas verschlägt mir regelrecht die Sprache. Da kann man dann schon dabeisitzen und staunend zugucken - und sich vielleicht auch etwas abschauen.

Sendungen:
"Leporello" am 12. Februar 2018, 16.05 Uhr und
"Meine Musik" am 17. Februar, 11.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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