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Ingeborg Hallstein zum 80. Geburtstag Durchgefallen - dann gefeiert

Um ein Haar wäre es gar nichts geworden mit der Gesangskarriere. Denn Ingeborg Hallstein, die später gefeierte Koloratursopranistin, fiel bei ihrem Vorsingen an der Münchner Musikhochschule mit Pauken und Trompeten durch. Zu ungenügend sei ihre Leistung gewesen, zu zart die Konstitution, zu klein die Stimme! Doch wie konnte es zu solch einem Fehlurteil kommen?

Ingeborg Hallstein | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Hallstein selbst sagt, sie sei damals einfach noch zu jung und ein "Nerverl" gewesen. Der Stresssituation nicht gewachsen, habe sie mehr geweint als gesungen. "Insofern war es richtig, dass ich nicht angenommen wurde", meint sie einmal in einem Interview. "Ich wollte ja Sängerin werden, nicht Weinerin".

Einer Nachtigall ähnlich

Doch Ingeborg Hallstein gab nicht auf. Ihre Mutter Elisabeth, selbst bekannte Sopranistin und Gesangspädagogin, holte beim damaligen Chordirektor der Bayerischen Staatsoper noch eine zweite Meinung zu den Karriereaussichten der sangesfreudigen Tochter ein. Der befand: Das Mädchen besitzt ohne Zweifel das Stimmmaterial für eine Solokarriere. Diese Einschätzung kam wohl aufgrund des natürlichen Schönklangs sowie der Agilität der Stimme zustande. Und sicher auch wegen ihrer mühelosen, bis in äußerste Vokalstratosphären reichenden Höhe. Davon kann man sich auch heute noch mithilfe entsprechender Videodokumente überzeugen. Hallstein singt bis zum dreigestrichenen b. Damit reicht sie in Regionen der legendären Erna Sack, die noch das viergestrichene c in petto hatte, wo der Ton dem Zwitschern einer Nachtigall schon sehr ähnlich wird. Animalisch-unmenschlich klingen diese sängerischen Ausnahmeleistungen, und gerade deshalb so beeindruckend.

Ingeborg Hallstein auf BR-KLASSIK

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Montag, 23. Mai 2016, 19:05 Uhr
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Zum 80. Geburtstag der Sopranistin Ingeborg Hallstein

Tristan und Isolde in Schwabing

"Und jetzt wird gearbeitet!" Mit dieser resoluten Feststellung reagierte Hallsteins Mama auf die Einschätzung des Chorleiters. Elisabeth blieb die einzige Gesangslehrerin ihrer Tochter und bildete sie so gut aus, dass Ingeborg schon mit 21 Jahren ihr Debüt als Opernsängerin feiern konnte - in Passau als Musetta in Puccinis "La Bohème". Nach einem Engagement am Theater Basel kehrte sie nur zwei Jahre später in ihre Heimatstadt zurück: zuerst ans Staatstheater am Gärtnerplatz, und dann, ab 1961, an die Bayerische Staatsoper. Eine rasante Karriere für die Münchnerin - pardon! - Schwabingerin. Denn auf diese Herkunftsbezeichnung legt Hallstein wert. Übrigens lernte sie dort schon in den 1950er-Jahren einen anderen Großen der Opernszene kennen: August Everding. Der studierte damals in München Theaterwissenschaft. Ein Freund von ihm hatte ein Auge auf Hallstein geworfen. Inwieweit Everding den "postillon d’amour" spielte, ist nicht bekannt. Man weiß nur vom Hauptthema der "Unvollendeten" als Erkennungspfiff und einer verheißungsvollen Kerze im Fenster... Ein Hauch Tristan und Isolde im Wirtschaftswunder-Schwabing.

Mit Mehta in Salzburg

Die große Karriere von Ingeborg Hallstein, die sie von München aus um die halbe Welt führte, zeichnete sich durch ihre außergewöhnliche Vielfalt aus. Sie reüssierte in den wichtigen Rollen ihres Faches, wie der Violetta in "La Traviata" oder der Königin der Nacht in der "Zauberflöte". Dafür ist die "Martern-Arie" aus Mozarts "Entführung aus dem Serail" ein Beispiel. Sie ist ob ihrer heiklen Koloraturen, ihrer diffizilen Intervallsprünge und den zwischen lyrischen und dramatischen Momenten wechselnden Passagen gefürchtet. Die Aufnahme von den Salzburger Festspielen stammt aus dem Jahr 1967. In der Orchestereinleitung sticht ein gutaussehender junger Dirigent mit hocheleganten Bewegungen ins Auge: Zubin Mehta, der heuer ebenfalls seinen 80. Geburtstag feierte.

Frei von Dünkel

Doch Hallstein war eben nicht ausnahmslos Spezialistin für das herkömmliche Opernrepertoire. Sie genoss den künstlerischen Reichtum des 20. Jahrhunderts in vollen Zügen und kostete die unterschiedlichen Möglichkeiten aus, in denen sie ihre Talente zur Geltung bringen konnte. So war sie als Liedsängerin gefragt und sang in Uraufführungen wie den "Bassariden" von Hans Werner Henze. Als für ein Konzert mit dessen Kantate "Being Beautous" die Solistin plötzlich erkrankte, sprang Hallstein ein und lernte die komplizierte Partie in zwölf Stunden. Daneben agierte sie aber genauso in Musicals und liebte die Operette. Ihre Stimme und ihre blendend schöne Erscheinung machten sie zu einer idealen Interpretin, auch für das ganz große Publikum. Ob "Zum Blauen Bock", "Erkennen Sie die Melodie?" oder "Die Peter Alexander Show": Klassische Gesangsstars waren damals im deutschen Fernsehen noch sehr gefragt - und Ingeborg Hallstein mittendrin. Ohne Hochkulturdünkel deckte sie mit Können, Offenheit und Charme die ganze musikalische Palette ab, bis hin zum Schlager. 1964 spielte sie sogar in einem Kinofilm mit: "Wälsungenblut" nach Thomas Mann. Ob ihr da ihre Erfahrungen aus ihrer Jugendzeit als Statistin im Münchner Residenztheater halfen? Nach ihrer Karriere war Ingeborg Hallstein bis 2006 eine gefragte Gesangsprofessorin in Würzburg und gab dort ihren reichen Erfahrungsschatz an die Studenten weiter.

Kommentare (2)

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Montag, 23.Mai, 18:18 Uhr

Gerda Wendl

Ingeborg Hallstein

Wunderschön! Mit Peter Alexander, den ich auch sehr gerne höre.
Operetten sollten wieder viel mehr gezeigt werden, das war noch Musik die man
immer wieder hören kann und nie genug davon bekommt.

Freitag, 20.Mai, 22:12 Uhr

Thilde Freh

Ingeborg Hallstein

So charmant und liebenswert Peter Alexander und Ingeborg Hallstein. Ich hoffe sosehr, dass die klassische Operette wieder modern wird!!!

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