BR-KLASSIK

Inhalt

Peter Konwitschny über "Lady Macbeth" "Frauen sollten sich nicht alles gefallen lassen"

Um ihrer unglücklichen Ehe und ihrem tyrannischen Schwiegervater zu entkommen, wird die junge Katerina zur mehrfachen Mörderin. Schostakowitschs tragisch-satirische Oper "Lady Macbeth von Mzensk" über Liebe und Brutalität fasziniert bis heute. Peter Konwitschny hat die Oper kürzlich in Kopenhagen inszeniert, ab dem 16. April ist seine Version am Theater Augsburg zu sehen.

Regisseur Peter Konwitschny | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Peter Konwitschny über "Lady Macbeth"

"Frauen sollten sich nicht alles gefallen lassen"

BR-KLASSIK: Herr Konwitschny, Sie haben Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk" bereits in Kopenhagen inszeniert, das Theater Augsburg hat die Inszenierung nun übernommen. Führt die Arbeit an einem anderen Haus mit anderer Besetzung bei Ihnen noch einmal zu neuen Ideen?

Peter Konwitschny: Am Konzept an sich ändert sich nichts. Aber aus der Arbeit mit den Sängern ergibt sich immer etwas Neues. Sie sollen ja auf der Bühne eine nachvollziehbare Geschichte erzählen und nicht nur kopieren, was das Ensemble in Kopenhagen gemacht hat. Es macht mir immer großen Spaß, so eine Aufführung mit Kollegen zu entwickeln. Alle haben eine andere Meinung zu Lady Macbeth, zu Katerina, die - sagen wir mal salopp - halt zwei Typen umbringt, um frei zu sein und ihre Liebe leben zu können. Sie will kein Leben als unterdrücktes Hascherl bei einem Provinzbauern mehr führen.

BR-KLASSIK: Ich höre da fast eine gewisse Sympathie heraus. Mögen sie Katerina?

Peter Konwitschny: Absolut!

BR-KLASSIK: Obwohl sie eine Mörderin ist?

Peter Konwitschny: Das kann man von Wozzeck auf erster Ebene auch sagen. Aber man muss natürlich auch bedenken, dass die Gesellschaft dergestalt ist, dass sie eben viele Menschen zum Mord treibt. Und das zeigen wir auch. Lady Macbeth ist bei uns keine finstere Mörderin, sondern eigentlich kindlich dem Leben zugewandt und nicht fähig, wirklich kriminell zu sein und sich vor den Nachstellungen der Polizei zu schützen.

BR-KLASSIK: In welcher Zeit zeigen Sie die Geschichte?

Peter Konwitschny: Die Geschichte spielt weder in der Entstehungszeit der Novelle 1865, noch zur Zeit der Uraufführung 1932. Sie spielt aber auch nicht heute, sondern in einer uns nahen, aber unbestimmten Zeit. Irgendwann zwischen 1900 und 1960.

BR-KLASSIK: Und trotzdem sagen Sie, das Stück würde etwas über unsere Gegenwart erzählen.

Peter Konwitschny: Allerdings. Durch das Verhalten der Menschen innerhalb der Geschichte. Die Gesellschaft funktioniert durch Angst, Besitz und Macht. Und die Frauen haben eine untergeordnete, dienende Rolle. Sie werden in Russland zu der Zeit fast wie Tiere gehalten. Und dann gibt es eine Frau, die sich wehrt, und zwar massiv. Ich bin der Meinung, dass wir heute nicht viel weiter sind. Frauen fahren zwar Auto und es gibt auch Hefte mit nackten Männern drin, aber grundsätzlich befinden wir uns als Männer und Frauen noch in zu unterschiedlichen Rollen. Katerina hat eine Vorbildrolle - nicht nur für die Bauern auf der Bühne, sondern auch für die Mädchen und Frauen im Zuschauerraum. Ich wünsche mir, dass sie sich nicht alles gefallen lassen.

BR-KLASSIK: Klar, Katerina fühlt sich in die Enge getrieben. Aber die Art, wie sie sich gegen Gewalt wehrt, ist ja selbst höchst gewalttätig. Insofern überrascht mich das Wort "Vorbild".

Peter Konwitschny: Das meine ich aber so. Gewaltsam sind Panzer, Flugzeuge und Maschinengewehre, die man gegen revolutionäre Menschen einsetzt. Das hier ist ein Mord, den eine Frau begeht, die von der Gesellschaft dazu getrieben wird.

BR-KLASSIK: Schostakowitsch sagte über "Lady Macbeth von Mzensk", es sei eine tragisch-satirische Oper, sie hat etwas überspitztes, drastisches, vielleicht auch tragikomisches. Spielt das für Sie auch eine Rolle?

Peter Konwitschny: Ja, es spielt sogar eine große Rolle, sonst wäre das alles nämlich ziemlich fad. Schon die Musik ist keineswegs vergleichbar mit einer tragischen Oper von Verdi oder Puccini. Es gibt ein zweites Blasorchester, da fallen einem die Ohren ab. Das Xylophon hat eine begleitende Funktion bei einem Sänger. Es gibt wunderschöne Stellen, martialische Stellen und eine Szene, wo ein sowjetisches Polizeirevier gezeigt wird. Diese Einlage steht nicht in der Novelle. Schostakowitsch und der Textautor Aleksander Preiss haben sie zusätzlich reingenommen, und das ist zum Tränen lachen.

"Lady Macbeth von Mzensk" am Theater Augsburg


Premiere
Samstag, 16. April 2016, 19.30 Uhr
Theater Augsburg, Großes Haus
D. Schostakowitsch: "Lady Macbeth von Mzensk", Oper in 4 Akten
Musikalische Leitung: Domonkos Héja
Regie: Peter Konwitschny

Weitere Vorstellungen

    AV-Player