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Serie - Opernberufe Der Rüstmeister der Bayerischen Staatsoper

Er stattet den König mit Insignien aus und die Rokokodame mit einem Reifrock, er macht aus Messing Gold, Messer stumpf und aus einem Fächer eine Schußwaffe: der Rüstmeister. Ein Besuch bei Thomas Strasser in seinem Reich im Souterrain des Neuen Probegebäudes der Bayerischen Staatsoper.

Theaterschwerter | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Serie Opernberufe

Der Rüstmeister

Die Staatsoper beschäftigt zwei Rüstmeister - und die wiederum brauchen zwei Werkstätten, eine für die Feinarbeit, die andere fürs Grobe. Und wie sieht es in so einer Werkstatt aus? Ein Bandschleifer neben einer Poliermaschine, in der Ecke steht eine alte Sickenmaschine, links eine kleine Esse, darüber ein dicker Entlüftungsschlauch, unzählige Hämmer, Lötkolben, Feilen, ein Amboss - auf den ersten Blick also eine ganz normale Metallwerkstatt. "Wir haben einen großen Vorrat an Materialien", erklärt Thomas Strasser: "Flacheisen, Blech, Rohre, Aluminium, Eisen, Messing und Kupfer... "

Vogelbauer und Sturmgewehr

Am Fenster hängt ein geschmiedeter Vogelbauer. Statt eines Piepmatzes beherbergt er einen Totenschädel. Von der Werkstattdecke baumelt eine kopflose Riesenpuppe mit Ringelsocken. An der Wand reihen sich verschiedene Schnellfeuerwaffen aneinander. Das ist nun allerdings eher ungewöhnlich. Thomas Strasser sagt, worum es hier geht: "Das ist jetzt ein G36 Sturmgewehr aus Kunststoff. Manchmal wird das bei Proben gebraucht. Wenn die Kollegen anrufen, dann tragen wir's mal schnell 'rüber auf die Bühne".

Ungefährliche Waffen, täuschend echt

Der Rüstmeister verwaltet und pflegt das Waffenarsenal der Oper. Er sorgt dafür, dass Dolche und Pistolen täuschend echt wirken, aber unter keinen Umständen Gefahr von ihnen ausgehen kann. Lenskis Pistole in Tschaikowskys "Eugen Onegin" gehört genauso zu seinem Inventar wie die Armbrust des Helden in Rossinis Oper "Wilhelm Tell". Kaum einer weiß, dass es den Beruf des Rüstmeisters überhaupt gibt und doch ist er es, der für die Sicherheit aller Darsteller - egal ob auf der Bühne oder im Orchestergraben - verantwortlich ist.

Wir sind abends bei der Vorstellung, teilen die Waffen aus und sammeln sie anschließend auch wieder ein.
Thomas Strasser

Mindestens zwei Dutzend Bajonette hängen nebeneinander auf einem Requisitenwagen. Ihre Spitzen wären nicht einmal scharf genug zum Butterbrotschmieren. "Die gehören zum Erschießungskommando in 'Tosca'", erläutert Strasser. "Die Bajonette werden einfach aus einem Rohr angefertigt und dann mit einem Flacheisen gebogen." Die Basis besteht aus einem ausrangierten Polizeigewehr aus grauer Vorzeit, eine Schenkung an die Oper. Den Aufsatz hat der Rüstmeister angefertigt und damit den Auftrag des Kostümbildners erfüllt. Von ihm bekommt der Rüstmeister vor jeder neuen Opernproduktion einen Stapel Zeichnungen. Die hängen dann an der Werkstattwand.

Erfindergeist ist gefragt

Szenenbild aus Wagners "Siegfried" | Bildquelle: © Wilfried Hösl Szenenbild aus "Siegfried" | Bildquelle: © Wilfried Hösl Darin besteht das Kerngeschäft des Rüstmeisters: Er arbeitet der Kostümabteilung zu und muss eine künstlerische Idee mit handwerklichen Mitteln umsetzen. Wie Daniel Düsentrieb braucht er für die Konstruktion häufig eine gehörige Portion Erfindergeist: Alles muss beim Benutzen auf der Bühne sofort funktionieren. Schließlich ist jede Vorstellung ein Live-Event. Da darf kein Helm-Visier klemmen, und erst recht kein Sänger von der eigenen Stimme fast taub werden. "Es gibt einen Helm, der komplett über den Kopf geht", sagt Thomas Strasser. "Da müssen die Ohren frei sein, sonst hört der Sänger seinen eigenen Hall. Wir modifizieren die Sachen dann auch, so dass man sie überhaupt nutzen kann auf der Bühne."

Fünfmal "Nothung"

Wenn eine Neuproduktion ansteht, verlässt der gelernte Metallbauer Thomas Strasser kaum noch seine Werkstatt. Dauernd muss nachgebessert werden, bis zur Generalprobe darf Wotans Speer nicht mehr an der falschen Stelle über die Bühne kullern und dem König nicht mehr die Krone über die Ohren rutschen. Eine ganz besondere Herausforderung und ein Highlight für jeden Rüstmeister ist das Schwert "Nothung" aus Wagners "Ring des Nibelungen". Das Urschwert kauft der Rüstmeister in einer Schmiede. Anschließend wird das Original quasi geklont. In diese Repliken arbeitet Thomas Strasser besondere "Tricks" ein: "Nothung haben wir in fünffacher Ausführung: Es muss an der richtigen Stelle zerbrechen, es muss Kämpfe überstehen, es wird zerbrochen umhergetragen, es muss geschmiedet werden... Wir haben für jede Szene ein eigenes Schwert!"

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