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Salzburger Festspiele

20. Juli bis 31. August 2023

Kritik - "I due Foscari" in Salzburg Verdi-Abend emotionsgeladen und nachdenklich

Zu den Traditionen, die der neue Salzburger Festspielintendant Markus Hinterhäuser übernimmt, gehört die der konzertanten Opernaufführungen im Großen Festspielhaus. Nicht zum ersten Mal stand nun der spanische Statenor Plácido Domingo im Mittelpunkt, der schon vor Jahren ins Baritonfach gewechselt ist. In diesem Jahr singt er in Verdis Tragödie "I due Foscari" die Hauptrolle. Ist Plácido Domingo, der vor genau 42 Jahren in Salzburg sein Debüt gab, heute noch eine gute Wahl?

Verdi "I due Foscari" konzertant, Salzburger Festspiele 2017 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

Die Kritik zum Anhören

Wir befinden uns im Jahr 1457. Gerade aus der Verbannung ins geliebte Venedig zurückgekehrt, muss sich Jacopo Foscari erneut einem Urteilsspruch des Gerichtshofs beugen - des Zehnerrats. Wegen eines angeblichen Mordes wird er nach Kreta zurückgeschickt. Dabei hält ein Erzfeind der Familie Foscari, eines der Ratsmitglieder, die intriganten Fäden in seiner Hand. Jacopos Frau fleht ihren greisen Schwiegervater an, den Dogen Francesco Foscari, etwas  für seinen Sohn zu tun - doch ihm sind die Hände gebunden. Geschwächt durch Folter und enttäuschte Hoffnung, stirbt Jacopo kurz nach der Abreise. Zu spät erhält der Doge einen Brief, der seinen Sohn als Mörder entlastet. Und als kurz darauf ein neuer Doge ausgerufen wird, stirbt - hart getroffen - auch der alte Francesco.

Verdi im Reifeprozess 

"Pessimismo verdiano": So nennen Italiener den Hang zum Negativen bei Verdi, der Menschen gern mit der Tendenz zu versagen oder zu verlieren zeigt. In diesem Fall war eine Vorlage Byrons inspirierend für eine 100-Minuten-Vertonung, die sogar der Sarkast vom Dienst lobte: Heinrich Heine! Es gibt weit gespannte Szenenkomplexe, personenbezogene Erinnerungsmotive, subtile Instrumentationsfarben. So leiten die "Foscari" 1844 einen Reifeprozess Verdis ein, der bis zum Publikumsliebling "La Traviata" vorausweist und darüber hinaus.

Emotionen auf mediterrane Art

Verdi "I due Foscari" konzertant, Salzburger Festspiele 2017 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli Jamez McCorkle, Marvic Monreal, Alessandro Abis | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli Für Opernkenner ist das ungemein aufschlussreich: als Blick über die Schulter bzw. in die Werkstatt des Komponisten! Jedenfalls, wenn sich ein gewissenhafter Dirigent um den Verdi-typischen konstruktiven Energiestrom kümmert. Michele Mariotti, Chef des Teatro Comunale di Bologna, animiert das Salzburger Mozarteumorchester und den Philharmonia Chor Wien zu idiomatischem Musizieren. In aller Bescheidenheit unterstützt der 38-jährige Mann am Pult sein Solistengespann auch bei der Zeichnung von Emotionen, die auf mediterrane Art über die Ufer treten.

Mit Ausdruck und Leidenschaft

Verdi "I due Foscari" konzertant, Salzburger Festspiele 2017 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli Plácido Domingo und Guanqun Yu | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli In dieser Salzburger "Foscari"-Erstaufführung kommen ausdrucksgeladene Momente von der chinesischen Sopranistin Guanqun Yu, die dem Part der zornigen Lucrezia selbstbewusst Konturen gibt. In der Rolle des leidenschaftlich heimatverbundenen Jacopo Foscari punktet der maltesische Tenor Joseph Calleja mit herrlich farbenreicher Mittellage - und eigentümlich schnellem Vibrato. Wegen des ähnlichen Timbres erinnert er an einen der populärsten Fachvertreter aller Zeiten: Luciano Pavarotti! Der war in den 70er, 80er, 90er Jahren ein großer Rivale von Placido Domingo.

Domingo stimmt nachdenklich

Verdi "I due Foscari" konzertant, Salzburger Festspiele 2017 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli Plácido Domingo | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli Früher Tenor, seit einiger Zeit "tiefer gelegt", aber deshalb noch lange kein Bariton im eigentlichen Sinn! An Domingo, dem Marathonläufer der Oper, kann man zwar immer noch sein perfektes Timing bewundern, sein charismatisches Bühnentemperament, aber er kämpft doch erheblich mit den Resten seiner Atemtechnik, seiner Phrasierungskunst. Wie waren nur seine Anfänge: Auf den Tag genau vor 42 Jahren debütierte Domingo in Salzburg mit einer Tenorpartie Verdis, Don Carlos unter Karajan! Im Ganzen jedenfalls ein nachdenklich stimmender Abend: mit dem Blick auf eine hilflose, gedemütigte Herrscherfigur - sowie die zweifelhafte Entscheidung eines großen Sängers, immer und immer weiter zu machen.

Giuseppe Verdi "I due Foscari"

Konzertante Aufführung bei den Salzburger Festspielen 2017

Plácido Domingo, Francesco Foscari
Joseph Calleja, Jacopo Foscari
Guanqun Yu, Lucrezia Contarini
Roberto Tagliavini, Jacopo Loredano
Bror Magnus Tødenes, Barbarigo
Marvic Monreal, Pisana
Jamez McCorkle, Fante del Consiglio
Alessandro Abis, Servo del Doge

Philharmonia Chor Wien
Mozarteumorchester Salzburg
Michele Mariotti, Musikalische Leitung

Weitere Infos zur Aufführung bei salzburgerfestspiele.at

Sendung: Piazza am 12. August 2017 ab 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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