SWEET SPOT.
Neugierig auf Musik
Loïe Fuller war eine Pionierin des modernen Tanzes, revolutionierte Bewegungen und Choreographie. Zugleich war sie Unternehmerin und Wissenschaftlerin: Sie verwendete als Erste elektrisches Licht auf der Bühne – und verzauberte mit ihren Auftritten eine ganze Epoche. Eine "Fée d’Électricité", deren Schaffen bis heute inspiriert.
Bildquelle: picture alliance / Heritage Images
Unförmig, schlecht gekleidet und ein wenig seltsam. So wird Loïe Fuller von ihren Zeitgenossen beschrieben. Doch wenn sie auf der Bühne stand, verwandelte sie sich in "La Loïe", eine atemberaubende Erscheinung, die mit ihren Seidenschleiern - einem zauberhaften Schmetterling gleich – die Kunstwelt durcheinanderwirbelte und zur Ikone des Jugendstils aufstieg.
1862 wird Marie Louise Fuller im US-Bundesstaat Illinois geboren. Mit vier Jahren steht sie das erste Mal auf einer Bühne, deren Anziehungskraft sie nicht mehr loslässt. Als Teenager hangelt sie sich von einem mittelmäßigen Auftritt zum nächsten und ist sogar Teil von Buffalo Bills legendärer Wild-West-Show. Sie tourt durch die Vereinigten Staaten: mit Lesungen, Burlesque-Shows und Pantomime.
U21-Feature über die Tänzerin Loïe Fuller
von Marie König
Und ab 5. Mai als Podcast in drei Folgen bei "Henry", der PODIUM-App.
Mit Anfang 30 gelingt ihr endlich der Durchbruch. Nicht in Amerika, sondern in Europa – und quasi über Nacht. Auf der Revuebühne des Pariser "Folies Bergère" hüllt sie sich am Abend des 5. Dezember 1892 in einen riesigen Umhang aus Seide, verlängert ihre Arme mit Bambusstäben und schwingt den Stoff in Wellen und Spiralen. Kurze Zeit später ist ihr sogenannter "Serpentinentanz" in aller Munde und Loïe samt ihrem eindrucksvollen Debüt eine Berühmtheit. Damit es soweit kommt, muss sie allerdings erst den Direktor überzeugen - elektrisches Licht auf der Bühne hatte vor ihr noch keiner verwendet.
Ich kann Beleuchtung und Techniker selbst bezahlen. Keine Angst!
Hinter den Löckchen und dem braven Grinsen versteckt sich ein Genie. Loïe Fuller ist in vielerlei Hinsicht die Erste: Sie baut sich selbst die Bühne um und ignoriert die Konventionen des klassischen Balletts komplett. Sie arbeitet mit Wissenschaftlern zusammen, um die neueste Technik für ihre Kunst zu nutzen. Das entspricht dem Zeitgeist des Fin de Siècle, einer Epoche, in der nach Herzenslust experimentiert wird und während der sich die Grenzen der Künste auflösen. Loïe spannt viele Leute für sich ein und werkelt selbst noch an den kleinsten Details:
Wir mussten die Seide einen Hauch dunkler einfärben. Das Weiß davor war einfach zu weiß!
Auf der Höhe ihres Erfolgs gehen zahlreiche Tänzerinnen bei ihr in die Schule, denn sie macht alles anders: Bei Loïe tanzt kein Spitzenschühchen auf Ballettmusik, sondern eine Frau drückt ihre Empfindungen in Bewegung aus: mit Klängen von Debussy, Wagner und Mussorgsky. Sie arbeitet mit damals beinahe übermodernen Filmprojektionen und lässt ihre Schülerinnen durch die Pariser Oper schweben. Und sogar durch den öffentlichen Raum – auf der Straße!
Ich würde Sie gerne einladen, bei uns zu tanzen.
Zur Weltausstellung in Paris bekommt Fuller sogar einen eigenen Pavillon gebaut. Im Jahr 1900 – also exakt an der "Zeitenwende". Ihre Auffassung von Kunst inspiriert die Menschen, damals und heute. Auch die Tanzwissenschaft beschäftigt sich mit der radikalen Neuerin – und damit mit einer Frau, die nie eine Tanzausbildung genossen hat.
Sie hat vielleicht den größten Einfluss auf die Künste Film, Bewegung, Szenografie und vor allem Tanz – bis heute.
Die französische Regisseurin Stéphanie de Giusto hat mit "La Danseuse" einen Film gedreht, der einfühlsam und dramatisch ihren Weg zum Tanzstar zeigt, natürlich geht es auch ein bisschen um die Liebe. Die Hauptrolle spielt die Sängerin und Schauspielerin "SoKo" - eigentlich Stéphanie Sokolinski. "Die Tänzerin" ist seit 9. März als DVD erhältlich.
Die Verwendung der Filmausschnitte erfolgt mit freundlicher Genehmigung der PROKINO Filmverleih GmbH