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SWEET SPOT.

Neugierig auf Musik

CD des Monats: Mai Nicolas Altstaedt und das sowjetische Klischee

Cd-Cover "Cello Concertos" von Nicolas Altstaedt | Bildquelle: Channel Classics

Bildquelle: Channel Classics

Wie oft saßen wir schon im Konzert, um es uns mit den sowjetischen Komponisten mal wieder richtig zu geben. Was kommt schon gegen Schosti an. Gewaltige Musik, geprägt von Krieg, Schmerz und Unterdrückung trifft unser Inneres, wenn wir erkennen, wie Schostakowitsch einen Trauermarsch oder die Verzerrung von Stalins Lieblingslied in seinem ersten Cellokonzert verarbeitet. Oder wie lernen Mieczyslaw Weinberg kennen, dessen Musik von seiner Flucht vor deutschen Truppen in Polen geprägt ist. Krampfhaft versuchen wir uns vorzustellen, wie es ist, tagtäglich um sein Leben fürchten zu müssen. Mal wieder eine tief schürfende Erfahrung.

Nicolas Altstaedt verpasst diesem sowjetischen Konzert-Image mit dem aktuellen Cover seiner Aufnahme von Schostakowitschs und Weinbergs Cello Konzerten keinen neuen Anstrich: Sein grau melierter Mantel hebt sich kaum vom schwarzen Hintergrund ab, vor dem er kauert. Scheinbar fröstelnd verschränkt er die Arme vor der Brust. Zu lange durch die russische Nacht getigert? Das Haar noch etwas zerzaust, blickt er den Betrachter an, als würde er vor Schostakowitsch und Weinberg warnen wollen: Achtung, es wird mal wieder düster und trüb.

Doch sobald sich die silberne Scheibe beginnt zu drehen, möchte man fast meinen, dass die Musik von Schostakowitsch und Weinberg noch nie so sehr nach Dur geschmeckt hat, nach schüchterner Freiheit und den ersten aufblitzenden Sonnenstrahlen nach einer langen Nacht. Gelöst von allen Klischees lässt Nicolas Altstaedt die Cellokonzerte rein und hoffnungsvoll klingen. Pure Naivität?

Ich wollte Schostakowitschs erstes Cellokonzert aufnehmen, weil es die erste Aufnahme in meinen Händen war, an die ich mich erinnern kann. Ich muss sechs Jahre alt gewesen sein. Das war die Zeit, in der ich gerade angefangen habe, Cello zu spielen.
Nicolas Altstaedt

Nicolas Altstaedt spielt mit einem unvoreingenommenen Ton, als würde er gerade jede Note einzeln erkunden wollen. Zärtlich, aber trotzdem artikuliert spricht er diese neu entdeckte Sprache, wenn er mit dem Orchester in Konversation tritt. Die Neuartigkeit zeugt aber nicht von Unreife, sondern gleicht einem Befreiungsschlag, mit dem man der Musik näher kommt als je zuvor.

Und so lässt Nicolas Altstaedt mit dem deutschen Symphonie-Orchester unter der Leitung von Michal Nesterowicz nach einem langen Winter voller Kälte, Schnee und Dunkelheit wieder die ersten Sonnenstrahlen hervorblitzen.

CD-Info

Cello Concertos / Nicolas Altstaedt
Label: Channel Classics
VÖ: 6. Mai 2016

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