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30 Jahre Wiedervereinigung Musikergeschichten zwischen Ost und West

Die Mauer trennte die Menschen in Ost und West fast dreißig Jahre lang. Mit der WIedervereinigung änderte sich vieles. Aber bis zum Mauerfall war die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik nur für wenige durchlässig: zum Beispiel für Spitzenmusiker.

Reichstagsgebäuder in Berlin mt Flagge | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Die Wiedervereinigung ist nicht nur innerhalb der deutschen Geschichte ein wichtiges Datum: Für viele Menschen war es ein einschneidendes Ereignis, durch das sich auch die ganz persönliche Lebensrealität massiv veränderte. So auch für Herbert Blomstedt, Franziska Pietsch und Peter Schreier. Das begann schon mit dem Mauerfall am 9. November.

Dirigent Herbert Blomstedt – Berufspendler in die DDR

Das war ein unheimliches Land. In einer Diktatur zu arbeiten, wo keine Freiheit ist – das ist ja gegen meine innerste Überzeugung.
Herbert Blomstedt

Zwischen 1975 und 1985 fährt Herbert Blomstedt von Stockholm aus regelmäßig in die DDR – von Berufs wegen. Der Schwede leitet das Vorzeigeorchester der sozialistischen Republik: die Staatskapelle Dresden. Für den Dirigenten ist es ein innerer Zwiespalt: Auf der einen Seite arbeitet er für eine – wie er selbst sagt – Diktatur, auf der anderen Seite wird ein Kindheitstraum wahr. "Ich habe die Kapelle bewundert, seit ich ein kleiner Junge war", sagt Blomstedt. Trotz aller Bedenken stellt er fest, dass sich die Musik nicht politisieren lässt. Seine Entscheidung, die Staatskapelle zu leiten, bereut er nicht. "Musikalisch hat mich die Zeit sehr geprägt. Meine Idealvorstellungen sind hier ausgebildet worden." Noch immer empfinde er Dankbarkeit, jedes Mal, wenn er nach Dresden zurückkehrt: "Das war wirklich eine Glanzzeit für mich und die Kapelle."

Geigerin Franziska Pietsch – Die Angst im Nacken

So schwierig und so traurig und so schwer diese Zeit war, sie haben mich nicht brechen können.
Franziska Pietsch

Die Geigerin aus Halle an der Saale hat die Schattenseiten der DDR am eigenen Leib erfahren: Als Ausnahmetalent wird sie früh gefördert, spielt im Teenageralter schon als Solistin bei verschiedenen Orchestern und darf an internationalen Wettbewerben teilnehmen. Nachdem ihr Vater in den Westen flüchtet, wendet sich das Blatt drastisch. Das Tor durch die Mauer fällt plötzlich zu: "Ich bin von Null auf Hundert ausgebremst worden. Ich war eigentlich nicht mehr existent", erinnert sich die Geigerin.

Das beherrschende Gefühl bei ihr und ihrer jüngeren Schwester in dieser Zeit: Angst. Zum Beispiel davor, "dass es an der Tür klingelte und wir Kinder abgeholt werden, wenn meine Mutter abends im Dienst war." In der Musik von Dmitrij Schostakowitsch findet Franziska Pietsch Zuflucht, sie gibt ihr Kraft und Mut: "Damit kann man sich verbinden. In dieser Welt ist man unantastbar." 1986, mit 16 Jahren, kann sie schließlich mit ihrer Mutter und der Schwester nach Westdeutschland ausreisen. Die schmerzlichen Erfahrungen in dieser Zeit haben sie zu dem Menschen gemacht, der sie heute ist, sagt Pietsch.

Tenor Peter Schreier – Heimat hinter Mauern

Ich hatte keinen Grund hier wegzugehen. Ich bin eigentlich immer eine Provinznudel gewesen. Die künstlerischen Voraussetzungen waren für mich ideal.
Peter Schreier

Der weltberühmte Sänger wird 1935 in Dresden geboren und passiert lange vor dem Mauerfall regelmäßig die Grenze, um auf den größten Bühnen der Welt zu stehen. Er genießt damit ein außerordentliches Privileg, denn viele befreundete Musiker dürfen nicht außerhalb der DDR auftreten. "Natürlich war das eine Bevorteilung, die ich wahrgenommen habe", sagt Schreier. Er habe sich fast nie ernsthaft in seiner künstlerischen Arbeit eingeschränkt gefühlt: "Ich konnte bis auf ganz wenige Ausnahmen machen, was ich wollte." Die DDR nimmt der Tenor als eine "heile Welt" wahr, in die er deshalb auch nach jedem Gastspiel im Ausland gern wieder zurückkehrt. "Wenn ich über die Grenze fuhr und wieder in der DDR war, hatte ich das Gefühl, ich bin wieder zuhause."

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