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Buch - Berliner Staatsoper Die Lindenoper im 20. Jahrhundert

Am 3. Oktober kehrt die Berliner Staatsoper nach einer siebenjährigen Zwangspause wieder an ihren ureigenen Ort unter den Linden in Berlin Mitte zurück - ein Ereignis von internationaler Bedeutung. Zeitgleich erscheint eine Chronik des von Friedrich dem Großen eingeweihten Hauses. Der Historiker Misha Aster, Autor des vielbeachteten und verfilmten Buchs "Das Reichsorchester", erzählt die Geschichte der Lindenoper im 20. Jahrhundert, in dem die Musik immer wieder vor den Karren wechselnder politischer Systeme gespannt wurde.

Buch-Cover "Staatsoper" von Misha Aster | Bildquelle: Siedler Verlag

Bildquelle: Siedler Verlag

Der Buchtipp zum Anhören

Als am Abend des 14. Dezember 1925 nach fast 100 Proben Alban Bergs Oper "Wozzeck" an der Berliner Staatsoper erstmals über die Bühne ging, war allen Beteiligten klar, dass dies ein herausragendes Ereignis ist. Bergs Porträt eines ausgebeuteten und gedemütigten Mannes nach Georg Büchners Drama, traf den Nerv der Zeit mit ihren extremen sozialen Spannungen.

Richard Strauss | Bildquelle: picture-alliance/dpa Richard Strauss | Bildquelle: picture-alliance/dpa Die Staatsoper und ihr Musikchef Erich Kleiber bildeten mit dieser Produktion damals die Speerspitze der europäischen zeitgenössischen Opernproduktion. Kaum zu glauben, dass am gleichen Ort 24 Jahre davor Richard Strauss‘ vergleichsweise harmlose Oper "Feuersnot" aus Zensurgründen abgelehnt worden war. Das war freilich noch zur Kaiserzeit. Strauss wurde dann zwar sogar GMD der Berliner Oper, lag aber die meiste Zeit im Clinch mit der störrischen preußischen Administration, der er es mit hohen Honorarforderungen und gewünschten Privilegien aber auch nicht gerade leicht machte.

Aus Misha Asters Buch "Staatsoper"

"Obwohl seine Beschwerden über das veraltete Hofsystem mit den Klagen vieler anderer übereinstimmten, die sich im unorganisierten Dienst dieser Institution abmühten, war Strauss kaum der Sprecher des einfachen Mannes. Er verdiente durch einen Monat Dirigieren (allein in Berlin und ohne Tantiemen) mehr als der feste Regisseur des Hauses in einem Jahr und pro Vorstellung so viel wie ein Chorsänger in zehn Monaten."

Unter fünf verschiedenen politischen Systemen musste sich die Berliner Staatsoper im 20. Jahrhundert behaupten. Und sich oft genug in erheblichem Maß dem jeweiligen herrschenden politischen Zeitgeist unterordnen. Das betraf nicht nur die Stückeauswahl, sondern reichte mitunter bis zu Rollenbesetzungen und Wünschen nach Umarbeitungen von Werken wie im Fall des "Lukullus" von Dessau und Brecht nach dem Zweiten Weltkrieg, bei dem die DDR-Kulturoberen dies forderten. Dennoch konnte das Haus über alle zeitbedingten Schwierigkeiten seine herausgehobene Stellung und künstlerische Würde behaupten, wie Misha Aster schreibt.

Kultur ist das verbindende Element in einem Zeitalter der Extreme und zeigt die bleibenden Wurzeln, die das Überleben Deutschlands gesichert und genährt haben.
Misha Aster

Außenansicht der Staatsoper Unter den Linden in Berlin | Bildquelle: © Max Lautenschläger Außenansicht der Staatsoper unter den Linden in Berlin | Bildquelle: © Max Lautenschläger Detailliert beleuchtet Aster in seiner Chronik die wechselnden Führungsteams des Theaters vor dem jeweiligen zeitgeschichtlichen und kulturpolitischen und politischen Hintergrund, ihre künstlerischen Profile und Ziele. Die Ausführlichkeit und intensive Quellenrecherche mit der dies geschieht wird den durchschnittlich interessierten Leser unter Umständen womöglich etwas überfordern. Asher bietet weniger ein unterhaltsames Lesebuch über eine Kulturinstitution von Weltrang, sondern mehr eine überbordende wissenschaftliche Stoffsammlung, die mitunter auch etwas aus dem Ruder läuft.

Faktenreiche Chronik

Das ist vor dem Hintergrund des großen öffentlichen Interesses jetzt zur Wiedereröffnung der Lindenoper nach langer Renovierung umso bedauerlicher, hätte man sich doch eine informative, aber auch gut lesbare Chronik gewünscht. Aster hält sich auch viel zu sehr mit einer Vielzahl von Personalien auf und langwierigen Schilderungen des Strebens nach Macht und Einfluss verschiedenster Dirigenten, Intendanten oder anderer Personen der Administration.

Schade ist auch, dass die Beschreibung und Bewertung der künstlerischen Leistungen des Hauses und seiner bedeutendsten Künstler zu kurz kommt. So ist Asters Chronik der Berliner Staatsoper zwar ein verblüffend faktenreiches, aber auch recht mühsames Lesevergnügen geworden.

Infos zum Buch

Misha Aster
Staatsoper
Die bewegte Geschichte der Berliner Lindenoper im 20. Jahrhundert

Übersetzung: Martin Richter
539 Seiten, mit Abbildungen
Preis: 28,80 Euro
erschienen im Siedler-Verlag

Sendung: "Piazza" am 7. Oktober 2017, 08.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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