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Buchtipp: Natsu Miyashita Der Klang der Wälder

Als der junge Tomura an seiner Schule einem Klavierstimmer bei der Arbeit lauscht, fühlt er sich plötzlich – er weiß auch nicht, wie ihm geschieht – durch den Klang in die hohen, rauschenden Wälder seiner Kindheit zurückversetzt. Wehmut ergreift ihn: Er kann den Wald riechen, kann die Abenddämmerung heraufbeschwören, in der es ihn immer in den Wald gezogen hat. Nach seinem Schulabschluss erlernt er das Handwerk des Klavierstimmers und macht sich auf die Suche nach dem perfekten Klang. "Der Klang der Wälder", ein Roman der Japanerin Natsu Miyashita.

Buch-Cover "Der Klang der Wälder" | Bildquelle: Insel Verlag

Bildquelle: Insel Verlag

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"'Ach, wie schön!' Die alte Dame lächelte verzückt, als Yanagi-san ihr ein paar Takte auf dem Klavier vorspielte. 'Nun ist der alte Klang wieder da, und das Zimmer wirkt auf einmal viel heller." Wie kann der Ausbilder des Lehrlings Tomura wissen, wie das Klavier seiner Kundin früher geklungen hat? Als die längst ausgezogene Tochter noch darauf gespielt hat? Er weiß es nicht, sagt er. Doch das sei auch nicht das Entscheidende: Viel wichtiger als die im Gedächtnis verankerte Akustik sind doch die Erinnerungen an ebenjene Zeit. Wenn die Töne sanft klingen, folgen ihnen die Erinnerungen.

Kleines philosophisches Wunder

Dieses Buch mit seinen gut 230 Seiten ist ein kleines philosophisches Wunder: Ganz unaufgeregt sagen uns seine Figuren, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und mittendrin ein junger Mann, der nichts anders tut, als sich, angeleitet durch seine erfahrenen Kollegen, auf diese Welt einzulassen. Mit allen Sinnen: "Mach einfach die Augen zu und entscheide dich für einen Klang. Stell dir einen Koch vor, der mit geschlossenen Augen und hochkonzentrierter Miene ein Gericht abschmeckt. Das Gleiche gilt für einen Stimmer – nur, wenn man zu lange zögert, wird man konfus."

Kurz und bündig

Dieses Buch wird lieben, …
… wer immer schon wusste, dass nicht nur Klavierspielen, sondern auch Klavierstimmen etwas sehr Kulinarisches hat.

Dieses Buch ist ein Lesegenuss, weil …
… es uns philosophisch bereichert, ohne sich wichtig zu machen.

Dieses Buch liest man am besten …
… zu Préludes, Mazurken und Walzern von Chopin. Die Impromptus von Schubert gehen auch. Und das Intermezzo op. 118/2 von Brahms.

Eine wunderbar natürliche Stringenz durchzieht diesen Roman, obwohl die Karriere unseres jungen Klavierstimmers so manche Kurve macht. Er erfährt Rückschläge, Dämpfer, Irritationen – aber wir zweifeln keinen Augenblick daran, dass er seinen Weg gehen wird. Weil er seinen Beruf als sinnliches Erlebnis wahrnimmt. Weil er sich von den Klavieren, die er wieder spielbar macht, Lebensgeschichten ihrer Besitzer erzählen lässt. Weil er weiß, wo er zuhause ist:

Das stete Unbehagen, fehl am Platz zu sein und nicht zu wissen, wo ich hingehörte, verflüchtigte sich sofort, sobald meine Füße über den mit Gras überwucherten Waldboden stapften.
Zitat aus dem Buch

Es gibt keine Abkürzung durch den Wald

Der Klang, den Tomura schließlich findet, wird mit kalter Perfektion nichts zu tun haben. Er wird ganz anders sein: "Hell, ruhig und klar, an wehmütige Erinnerungen rührend, zugleich aber mit einer milden Strenge in die Tiefe gehend. Schön wie ein Traum und greifbar wie die Wirklichkeit." Das Leben: eine Übung in Achtsamkeit und Gelassenheit. 88 Sternbilder gibt es – so viele, wie ein Klavier Tasten hat. Doch das Erkennen solcher Zusammenhänge braucht Zeit.

Infos zum Buch

Natsu Miyashita
Der Klang der Wälder

Insel Verlag, 2021
Gebunden, 238 Seiten

Preis: 20,00 Euro

Sendung: "Allegro" am 29. April 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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