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Popgeschichte als Buch "Der Kaplan, der um Jimi Hendrix trauerte"

Mit welchem Akkord schrieben die Beatles Musikgeschichte? Und warum zitierte Elvis Presley ein deutsches Volkslied? Viele kleine Episoden aus der jüngeren Musikgeschichte hat Franz Schiffer zu einem großen Lesevergnügen vereint– unter dem Buchtitel "Der Kaplan, der um Jimi Hendrix trauerte".

Buch Cover, Franz Schiffer: Der Kaplan, der um Jimi Hendrix trauerte | Bildquelle: Verlag Reiffer

Bildquelle: Verlag Reiffer

Es ist ein berühmter, spannungsgeladener Akkord. Mit ihm beginnt der Beatles-Song "A hard day's night" aus dem Jahr 1964. Der Akkord scheint einen Raum zu öffnen. Und man möchte wissen, was darin ist. Ein Klang, der wie ein Fragezeichen und ein Ausrufezeichen zugleich ist.

Die Beatles und der Jahrhundert-Akkord

Der Anfangsakkord dieses Nummer-1-Hits – Gitarristen nennen ihn G7sus4 – schafft auf raffinierte Art Spannung, indem ein Ton darin durch einen anderen ersetzt wird. Die Zuhörenden versetzt das subtil in Ungeduld. Der Buch-Autor Franz Schiffer nennt ihn den "Akkord des Jahrhunderts". Ein Akkord, "der beim ersten Hinhören wie verunglückt klingt, nicht vereinbar mit den Harmonien, die Rock und Pop sonst prägen. Solo geschlagen, metallisch angehaucht, von null gleich ein Sprung ins Weite – diese Alleinstellung eines Zusammenklangs hat es bis dahin nie gegeben. Er gleicht einem befreienden Signal, einem Aufruf, der die populäre Musik des Jahrhunderts überstrahlt."

Lesegenuss mit bildreicher Sprache

Man merkt sofort: Dieser Autor kann Dinge auf den Punkt bringen und sie in Bilder übersetzen, die im Gedächtnis bleiben. Und er schreibt so einfach, flüssig und nachvollziehbar, dass man zur Lektüre kein Spezialwissen braucht. Franz Schiffer, geboren 1954, Fremdsprachenlehrer und Autor vieler Beiträge für Zeitungen und das Radio. 85 spannende Texte zu bedeutenden und dennoch zum Teil in Vergessenheit geratenen Momenten der Popmusik-Geschichte hat er in seinem äußerst lesenswerten Buch versammelt.

Elvis Presley und das Städtele

Elvis Presley | Bildquelle: picture-alliance/dpa Elvis Presley zitierte in "Wooden Heart" das deutsche Volkslied "Muss i denn..." | Bildquelle: picture-alliance/dpa Auch er kommt vor: Elvis Presley, der als amerikanischer Soldat einst im hessischen Friedberg stationiert war und deshalb auch ein deutsches Volkslied in sein Repertoire aufnahm. Dass ein namenloses Nest aus einer schwäbischen Volksweise durch ihn auf Platz eins in der englischen und auf Platz zwei in der deutschen Hitparade kam, ist ein Kuriosum der Popgeschichte. Und es macht Spaß, sich von Franz Schiffer erzählen zu lassen, wie es dazu kam. Er schreibt übrigens nicht "Hitparade", sondern "Verkaufsparade" – und schon daran merkt man, dass er es genau nimmt.

KURZ UND BÜNDIG

Dieses Buch wird lieben, wer …
... über Klassiker der Rock- und Popmusik Dinge wissen möchte, die nicht schon überall stehen.

Dieses Buch liest man am besten, wenn....
... man soeben den Vinylplattenspieler angeworfen hat.

Dieses Buch ist wie geschaffen für...
... den Tages-Ausklang.

Die Art, wie Franz Schiffer Geschichten hinter Songs und Titeln erzählt, wie er hinter Musikerbiographien schaut und allerlei Kuriosa herauspickt, ist alles andere als Wikipedia-Wissen. Es ist selbsterlebte Geschichte, der Ertrag eines Jäger- und Sammler-Lebens in Sachen Popmusik-Kultur. Und das besonders Spannende: Die Erkenntnisse, die er zutage fördert, sind bei weitem nicht nur für Popfans interessant. Vieles gehört zur musikalischen Allgemeinbildung. Denn so manche erwähnte Musik ist längst zum "Klassiker" geworden.

Gibt es Löcher in der Albert Hall?

Die Beatles | Bildquelle: picture-alliance/dpa Die Beatles sorgten mit ihrem Song "A day in the life" für Wirbel um die Albert Hall. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wer wusste, dass der berühmte Beatles-Song "A day in the life" in Gefahr war, einem Zensur-Ansinnen zum Opfer zu fallen? Von "4000 Löchern" in der Stadt Blackburn in der Grafschaft Lancashire ist im Text die Rede. Gemeint sind Schlaglöcher im Asphalt, und John Lennon schließt später die Feststellung an: "Nun weiß man, wie viele Löcher man braucht, um die Albert Hall zu füllen". Der Verwaltungschef der ehrwürdigen Londoner Konzerthalle witterte sofort Rufschädigung für sein Haus und wollte die Beatles dazu bewegen, den Text abzuändern. Dummerweise hatte der Manager der Band ihm vor Veröffentlichung ein Demo geschickt. John Lennon blieb gottseidank standfest bei der Urgestalt seines Texts. Aber zweiundzwanzig Jahre lang untersagte das Direktorium der Albert Hall den Vortrag des Songs in der Halle. Danach geriet die Sache in Vergessenheit.

Wissenswertes über Stars der jüngeren Musikgeschichte

Viel ganz und gar nicht nutzloses Wissen enthält das Buch: etwa, dass der Urheber des Welthits "The Lion Sleeps Tonight" mit nur 25 Dollar auf dem Konto starb; dass Bundeskanzler Willy Brandt gern Arbeiterlieder auf dem Rücksitz des Dienstwagens "knarzte", ja, dieses schöne Verb steht da; dass Johnny Cash ursprünglich Vertreter für Elektrogeräte war und Agnetha Fältskog von Abba Telefonistin in einem Autohaus. Und Vieles mehr. Man kann sich an des Autors Gedanken über Bob Dylans Gesang freuen oder reiben, und man kann staunen über das Schicksal eines mutigen rumänischen DJs aus der Zeit der Diktatur, der im damals viel weniger gefährlichen München einem Mord zum Opfer fiel. Was es nun mit dem Kaplan und Jimi Hendrix aus dem Titel des Buchs auf sich hat, empfehle ich dringend zum Selberlesen.

Weitere Infos:

Franz Schiffer:
Der Kaplan, der um Jimi Hendrix trauerte
Verlag Andreas Reiffer
203 Seiten
Preis: Hardcover 18,00 €

Sendung: "Leporello" am 14. Juli 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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