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Buchtipp: "Musiknation Deutschland?" Warum deutsche Orchester bewahrt werden müssen

2014 wurde die Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Ende 2019 entscheidet die UNESCO über die Aufnahme in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Aber wie lange wird es dieses Kulturerbe noch geben? Fusionierungen und Finanzprobleme machen den Orchestern zu schaffen. Arnold Werner-Jensen betrachtet in seinem Buch "Musiknation Deutschland? Ein Plädoyer für die Zukunft unserer Orchester" die Orchesterlandschaft in Deutschland – und fordert eindringlich ihre Erhaltung.

Das Buch Musiknation Deutschland | Bildquelle: Henschel

Bildquelle: Henschel

Buchtipp

"Musiknation Deutschland?" von Arnold Werner-Jensen

Die Meininger Hofkapelle wurde von Hans von Bülow und Richard Strauss geleitet. An der Oper in Aachen haben Herbert von Karajan, Fritz Busch oder Wolfgang Sawallisch als Dirigenten angefangen, bevor sie ihre internationalen Karrieren starteten. Beim Staatsorchester in Darmstadt dirigierten Karl Böhm und Erich Kleiber. Bei der Mittelsächsischen Philharmonie in Freiberg wirkte Carl Maria von Weber, in Würzburg Richard Wagner.

Allein diese wenigen Beispiele zeigen, wie wichtig die mitunter belächelten Provinzorchester und -theater waren und sind. Sie sorgen nicht nur für eine qualitätsvolle Kulturversorgung auch außerhalb der großen Städte, sondern sind auch Sprungbretter für talentierte Musiker und Musikerinnen auf dem Weg zu einer internationalen Karriere.

Deutschland braucht die Orchester

Für den Erhalt und die Pflege dieses reichen Erbes an Orchestern und Opernhäusern setzt sich Arnold Werner-Jensen mit seinem Buch "Musiknation Deutschland" ein. "Der Erhalt des Konzertbetriebs und der Orchester ist gleichzeitig der Erhalt einer einzigartigen klassischen Musikkultur", schreibt Werner-Jensen. "Es ist wichtig, dieses Musikerbe zu pflegen, so wie wir auch ganz selbstverständlich unsere Kunstmuseen pflegen und Kulturdenkmäler schützen."

Es ist wichtig, dieses Musikerbe zu pflegen.
Arnold Werner-Jensen

Ohne diese in die Fläche hineinwirkende Orchesterkultur wäre Deutschland nicht zu dem Musikland geworden, das es heute ist, davon ist Werner-Jensen überzeugt. Dieses Musikland gelte es zu verteidigen, etwa gegen Kürzungen und Fusionierungen. Die Bedrohungen sind nämlich durchaus vorhanden: 1992 gab es in Deutschland 168 Kulturorchester, derzeit sind es noch 129. 39 Orchester wurden also aufgelöst oder fusioniert.

Auch Orchester sind in der Pflicht

Werner-Jensen sieht den Grund dafür in der Auffassung, dass Kunst und Kultur ein Luxusgut seien und kein elementares Grundbedürfnis. "Diese Meinung trifft man vor allem bei denjenigen, die über keine kulturelle Vorbildung verfügen und in der Regel freiwillig niemals ein Konzert besuchen", schreibt er.

Aber nicht nur Entscheider, auch die Orchester selbst nimmt Werner-Jensen in die Pflicht: Er fordert, dass sie mit Vermittlungs- und Educationprogrammen verstärkt auf ihr Publikum und den Publikumsnachwuchs zugehen. "Unsere Aufgabe ist es", schreibt er, "Musik eben nicht als museal, sondern als lebendig, bindend und stark integrativ zu begreifen und zu vermitteln."

Für jedes Orchester ein Porträt

In seinem Buch stellt Werner-Jensen die vielfältige Orchesterlandschaft Deutschlands detailliert vor, fast jedem Orchester ist ein kleines Porträt gewidmet. Ergänzend gibt es Interviews mit Musikern wie Christian Thielemann. Außerdem informiert der Autor über den Musikerberuf, er ist selbst Musiker und Musikpädagoge.

Musik ist eben nicht museal.
Arnold Werner-Jensen

Auch für die musische Bildung an Grund- und weiterführenden Schulen wirbt Werner-Jensen. In diese Bildungsoffensive schließt er eine Berufsgruppe ausdrücklich mit ein: die Politiker. "Wir müssen nicht nur Musiker- und Publikumsnachwuchs erziehen", schreibt der Autor in seinem Buch, "sondern auch Politiker, die über Kulturbudgets entscheiden, und zwar erziehen zu einem prinzipiellen Verständnis von Kultur und dass sie es wert ist, bewahrt zu werden – auch wenn es Geld kostet."

Werner-Jensen setzt hinter den Titel seines Buchs "Musiknation Deutschland" ein Fragezeichen. Es könnte auch ein Ausrufezeichen sein. Für alle, die sich über die Vielfalt der Musiknation Deutschland ein Bild verschaffen möchten, ist sein Buch ein anregender und kompetenter Führer – auch für Politiker.

Infos zum Buch

Arnold Werner-Jensen:
"Musiknation Deutschland? Ein Plädoyer für die Zukunft unserer Orchester"
Henschel Verlag, erscheint am 16. Oktober 2019
208 Seiten
Preis: 18,00 Euro

Sendung: "Allegro" am 15. Oktober 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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