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Buchtipp – Rudolf Buchbinder: "Der letzte Walzer" Variationen über Beethoven und Diabelli

Pianist Rudolf Buchbinder gehört derzeit zu den profundesten Kennern der Musik Beethovens. Zu dessen 250. Geburtstag hat er im Wiener Musikverein Anfang März sein "Diabelli-Projekt 2020" vorgestellt, das aus seiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit Beethovens Diabelli-Variationen hervorging und zeitgenössische Kompositionen über dasselbe Thema mit einbezieht. Sein neues Buch liefert Hintergrundinformationen zu Diabelli und Beethoven, Marketing und Genie. Wir lernen Buchbinder nicht nur als Pianisten, sondern auch als Festivalleiter, Urtext-Tüftler, Jazz-Liebhaber und Cineasten kennen.

Buchcover – Rudolf Buchbinder: "Der letzte Walzer" | Bildquelle: Amalthea Verlag

Bildquelle: Amalthea Verlag

Der Buchtipp zum Anhören

Monsieur Diabelli – so lautet sein Spitzname wohl zurecht. Denn der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder beschäftigt sich seit mittlerweile 60 Jahren mit Beethovens op. 120 und bezeichnet es selbst als sein "Lebens-Leitmotiv": "Für mich wird in den 'Diabelli-Variationen' die Größe Beethovens deutlich: Humorvoll, wütend, melancholisch oder swingend – es gibt keinen Seelenzustand, den er hier nicht beschreibt", sagt Buchbinder über diese Komposition. "Sie sind Musik über Musik, eine Fortsetzung von Bachs 'Goldberg-Variationen' und ein Labyrinth von Querverweisen, Zitaten und Verbindungen."

Die Diabelli-Variationen sind, als würde man einen VW-Käfer zerlegen und die Vision eines Bentleys entwickeln.
Rudolf Buchbinder

Ein neues Kapitel in der Geschichte der Variation

Reproduktion einer Lithographie von Josef Kriehuber | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn Von ihm stammt der "Schusterfleck": Anton Diabelli | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn Durch dieses Labyrinth führt uns Buchbinder in seinem Buch "Der letzte Walzer" auf unterhaltsame, aber niemals oberflächliche Art. Entstanden aus Gesprächsaufzeichnungen von Axel Brüggemann, erzählt es "33 Geschichten über Beethoven, Diabelli und das Klavierspielen". Der Wiener Verleger Anton Diabelli schickte 1819 ein selbstkomponiertes Walzerthema an berühmte Musikerpersönlichkeiten des Kaiserreichs und bat sie um jeweils eine Variation zur Veröffentlichung in einem Sammelband. Fünfzig Meister folgten der Bitte – darunter viele heute vergessene Namen, aber auch Franz Schubert, der elfjährige Franz Liszt, der Virtuose Ignaz Moscheles.

Kurz und bündig

Dieses Buch ist wie geschaffen …
… für Hobby-Pianisten und Klavierfreaks; für Einsteiger und Fortgeschrittene in Sachen Beethoven; für alle, die sich für die Geschichten hinter den Noten interessieren!

Dieses Buch liest man am besten …
… nach dem Anhören von Buchbinders neuem CD-Album "The Diabelli Project"

Dieses Buch hat gefehlt, weil …
… es Beethoven ins Heute weiterdenkt!

Die Möglichkeiten eines mittelmäßigen Themas

Nur der große Beethoven hatte keine Lust auf Diabellis "Schusterfleck" – bis er die unbegrenzten musikalischen Möglichkeiten erkannte, die gerade in der Mittelmäßigkeit des Themas lagen. 33 Variationen waren es am Ende, ein "Mikrokosmos des Beethoven'schen Genius", wie Hans von Bülow meinte. Jedenfalls ein komplett neues Kapitel in der Geschichte der Variation: "Die "Diabelli-Variationen sind, als würde man einen VW-Käfer zerlegen, sich den Scheibenwischer anschauen und die Vision eines Bentleys entwickeln", sagt Rudolf Buchbinder.

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Buchbinder und Beethoven | Bildquelle: Musikverein Wien (via YouTube)

Buchbinder und Beethoven

33 Variationen – 33 Buchkapitel

Das Außergewöhnliche an Beethovens konstruktivistischen Variationen lässt sich nur im Vergleich mit den Versionen seiner Zeitgenossen erkennen. Ihre heutige Relevanz versuchte Buchbinder zu ergründen, indem er im Rahmen seines Projekts "Diabelli 2020" auch elf prominenten Gegenwartskomponisten das Thema zur Bearbeitung vorlegte. In den 33 Buchkapiteln erfahren wir viel über den Kontext der neuen und alten Diabelli-Variationen.

Beethoven als Erfinder des Boogie-Woogie

Aquarellierte Zeichnung von Joseph Weidner | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer Beethoven – das kantige Genie von hinten | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn, Sammlung H. C. Bodmer Doch Buchbinder spricht auch von seiner Sorge über das Verschwinden der musikalischen Bildung, von seinem Zorn über besserwisserische Herausgeber, vom Zusammenhang zwischen Urtext-Wissen und künstlerischer Freiheit. Von Beethoven als Erfinder des Boogie-Woogie, von seinen tintenverklecksten Autografen und unsterblichen Geliebten. Auch unbequeme Fragen stellt er sich und uns: Etwa, ob wir uns von Mainstream und Marketing lenken lassen und ein radikales Genie erst mit einem Sicherheitsabstand von 250 Jahren feiern: "Wie erfolgreich wäre heute ein Komponist, der größer und revolutionärer denkt als viele seiner Zeitgenossen? Ich bin mir nicht sicher, ob die Chefs unserer Musikverlage oder unserer Plattenfirmen Künstler wie Beethoven wirklich langfristig fördern würden. Ob er in unseren Fernsehprogrammen oder in den sozialen Medien eine Chance hätte."

Respekt für Diabelli

Einer von vielen lesenswerten "Gedanken eines Klavierspielers" namens Rudolf Buchbinder. Respekt also für Anton Diabelli, der die als unspielbar geltenden Beethoven-Variationen veröffentlichte und damit versehentlich unsterblich wurde.

Infos zum Buch

Rudolf Buchbinder:
Der letzte Walzer
33 Geschichten über Beethoven, Diabelli und das Klavierspielen

Amalthea Verlag, Wien
192 Seiten, gebunden
Mit zahlreichen Abbildungen
Preis: 25,00 Euro

Sendung: "Allegro" am 31. März 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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