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Buchkritik: "Brel - Der Mann, der eine Insel war" Neues Buch über Chansonnier Jacques Brel

Es gibt erstaunlich wenig Literatur über Jacques Brel und sein Leben - dabei gibt das einiges her. Zunächst scheint alles in geregelten Bahnen zu laufen: Job in der Papierfabrik des Vaters und bürgerliches Familienleben. Dann der Ausbruch und der mühsame Durchbruch als Sänger in Paris, eine Weltkarriere, und ein weiterer Ausbruch: Segelabenteuer und Endstation Südsee-Insel, früher Tod. Den biografischen Stationen und der Musik des Sängers nähert sich jetzt ein neues Buch: "Brel - Der Mann, der eine Insel war", geschrieben von Jens Rosteck.

Cover des Buches "Brel" von Jens Rosteck erschienen im mare Verlag | Bildquelle: mareverlag

Bildquelle: mareverlag

"Ne me quitte pas" - Porträt eines Schwächlings

Eine Biografie des Journalisten Olivier Todd machte in den 1980er Jahren die Fans des belgischen Chansonniers Jacques Brel eher unglücklich, denn es wurden Wahrheiten ausgeprochen, zum Beispiel über Brels Verhältnis zu den Frauen, die keiner lesen wollte. "Lass mich zum Schatten deines Schattens werden, zum Schatten deiner Hand, zum Schatten deines Hundes…" singt Brel in seinem bekanntesten Chanson - und er sagt selbst über dieses Lied: "Es ist einfach die Geschichte eines Idioten, eines Arschlochs und Versagers." Hier wird ein Schwächling besungen. Wer das nicht lesen will, sollte auch das neue Brel-Buch von Jens Rosteck nicht in die Hand nehmen.

Keine klassische Biografie

Aber: Der Künstler Brel hat es nicht verdient, dass man seine Lieder nur mehr als Repertoire für nostalgisch gefärbte Schlagerwellen wahrnimmt. Gut, dass sich ein neues deutschsprachiges Buch dieser Aufgabe annimmt. Man darf "Brel - Der Mann, der eine Insel war" nicht als Biografie lesen. Diese Kategorisierung wird auch konsequent vermieden - findet sich nicht in Untertitel oder Klappentext. Jens Rosteck hat eher eine Art "Anmerkungen zu…." geliefert.
Das ist schlecht, wenn der Autor sich mit blumigen Formulierungen dem Leben des Sängers nähert - als es zum Beispiel um Brels spätes Dasein als Pilot auf seiner Südsee-Insel geht, heißt es: "Nie ist der Luftikus Brel bei der Konkretisierung seiner einstigen Träume weiter gekommen als hier auf den Marquesas und an Bord seiner zuverlässigen, gelb-rot gestreiften Himmelsschaukel." Oder wenn Jens Rosteck psychologisiert und ausschmückt, statt auf Originalzitate zu setzen: "Publikumsliebling ist er gern, aber nicht, weil ihn die Journaille gnädig dabei unterstützt. Sondern weil er um seine Zuhörer kämpft, Abend für Abend, wie ein Löwe. Er will sie packen und "kriegen". Er will sich die Gunst verdienen. Im Kleinstadttheater genauso wie bei der Gala in Manhattan."
Aber das ist gut, wenn Jens Rosteck mit klugen Fragestellungen zur Musik glänzt - und sich zum Beispiel den wiederkehrenden Stilelementen von Brels Chansons widmet: "Drehen, wirbeln, Raserei, Rausch. Den Kopf verlieren. Potenzierte Crescendi, absurd übertriebene Accelerandi. So klingen sie im Grunde alle, diese "schnellen Nummern" unter den Brel-Chansons: Als stiege man - bei einem Rummel oder Volksvergnügen - auf ein Kettenkarussell, das einfach nie mehr anhalten will".

Kluge Betrachtungen zu den Chansons

Zwischen die chronologisch gegliederten Kapitel zu Brels Leben schieben sich genaue Betrachtungen zu einzelnen Chansons. Hier zeigt sich Jens Rosteck als genauer Hörer und Beobachter, interpretiert geschickt und griffig. Die biografischen Passagen zu Brel dagegen bieten nichts wirklich Neues, der Stil ist zwar temporeich aber blumig, das muss man mögen. Immerhin: Das Buch bietet die Chance den "Kosmos Brel" zu entdecken: mit allen Widersprüchen, seiner Radikalität und seinen zweifelhaften Seiten.

Die Frauen vermögen es nicht, einem Mann Gleichgewicht zu verleihen, ganz einfach deshalb, weil sie stets mehr am Nehmen sind als am Geben.
Jacques Brel

"Brel - Der Mann, der eine Insel war"

von Jens Rosteck
gebunden, 240 Seiten mit Abbildungen
Preis: € 24,00
erschienen im mareverlag, Hamburg

                  

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