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Buch - Neue Reger-Biografie von Susanne Popp "Max Reger - Werk statt Leben"

Die Musik von Max Reger ist nicht populär. Auf den Programmen der großen Symphonieorchester finden sich ab und an die Mozart-Variationen, ganz selten einmal wird das Klavierkonzert gespielt. Auch um die umfangreiche Kammermusik machen fast alle Ensembles einen großen Bogen. Nur Regers Orgelwerke sind fester Bestandteil des Organisten-Repertoires. Die Jubiläumsaktivitäten zum hundertsten Todestag vor fünf Wochen haben daran nichts geändert.

Buchcover "Max Reger. Werk statt Leben." Susanne Popp | Bildquelle: Breitkopf & Härtel Verlag

Bildquelle: Breitkopf & Härtel Verlag

Der Buchtipp zum Nachlesen!

Regers Musik ist oft großartig, erschließt sich aber selten auf Anhieb, was ihrer Rezeption ganz offensichtlich schadet. Immerhin ist hundert Jahre nach seinem Tod eine gewichtige Biografie erschienen. Die Verfasserin, Susanne Popp, leitet seit 35 Jahren das Max Reger-Institut, dürfte sich also auskennen.

Manisch in der Arbeit und im Genuss

Der Philosoph Ernst Bloch fand in Max Regers Musik ein "leeres, gefährliches Können und eine Lüge dazu. Reger weiß nicht recht, ungebildet wie er schon ist, ob er Walzer oder Passacaglien schreiben soll. Wie leer bleibt das alles, wenn sich Reger, die unbachischste aller denkbaren Erscheinungen, auch noch gläubig gibt." Blochs böses Wort traf - sechs Jahre nach Regers Tod - ins Mark und war doch so ungerecht wie falsch. Max Reger wäre als Mensch wie als Komponist ohne seinen tiefen Glauben ebenso wenig denkbar wie ohne seine grenzenlose Liebe zur Musik Johann Sebastian Bachs. Susanne Popp macht das in ihrer eindrucksvoll kenntnis- und detailreichen Biographie noch einmal deutlich. Regers Umgangsformen waren oft ungehobelt, sein Sprachwitz und eigenwilliger Humor gewiss nicht jedermanns Sache. Er aß zu viel, trank so, dass er als Alkoholiker gelten muss, auch wenn es immer wieder Phasen der Abstinenz gab. Für den frühen Tod mit 43 Jahren dürfte nicht zuletzt sein aberwitziger Zigarrenkonsum verantwortlich gewesen sein, wohl mehr noch als sein mindestens so aberwitziges, für jeden normalen Menschen absolut unvorstellbares Arbeitspensum.

Angefeindet und verehrt

Aus kleinen Verhältnissen stammend, war Reger erfüllt von einem rigorosen Leistungsethos. Alles musste er sich selbst erarbeiten und tat es ohne Rücksicht auf seine Umwelt und Gesundheit. Wochenlang verbrachte er die Nächte im Schlafwagen, rastlos von einem Auftritt als Dirigent zum nächsten als Pianist eilend, den Kopf voll mit nicht niedergeschriebenen Partituren. "Werk statt Leben", kein Titel könnte passender sein für eine Reger-Biografie. Gab er nach außen den unverwüstlichen "Akkordarbeiter" mit Stahlnerven und robuster Gesundheit, muss man ihn in Wahrheit als hochsensible, entsprechend verletzliche Natur sehen. Anders ist seine mimosenhafte, an Verfolgungswahn grenzende Aversion selbst gegen wohlmeinende Kritiker kaum erklärbar. Ja, Reger wurde angefeindet, Susanne Popp schildert es hinreichend - von Traditionalisten wegen seiner wuchernden Modulationen und Dissonanzen, von der Avantgarde wegen seines Festhaltens an der Tradition, an rigidem Kontrapunkt, Fugen und Passacaglien. Überraschend sind beide Fronten nicht. Reger nannte sich selbst einen "extremen Fortschrittsmann" und fragte zugleich, ob Schönbergs Klavierstücke op. 11 "noch irgend mit dem Namen 'Musik' versehen" werden könnten. Doch neben galligen Kritikern gab es auch gewichtige Verehrer und Mitstreiter, unter ihnen die führenden Dirigenten der Zeit, die sich rückhaltlos für sein Werk einsetzten.

Musikalischer Riese

Das Werk dieses für Paul Hindemith "letzten Riesen in der Musik" wirkt ähnlich maßlos wie sein Schöpfer. Leicht macht es Reger dem Publikum nicht, vielleicht muss man seine Musik lieben oder wird sie ablehnen. Eine Chance geben sollte man ihr. In vielen großartigen Momenten verdient sie es. Susanne Popp hat - hundert Jahre nach seinem Tod - mit ihrem überragenden Buch über Leben und Werk nicht weniger vorgelegt als das Standardwerk zu Max Reger.

"Max Reger – Werk statt Leben"

von Susanne Popp
broschiert, 542 Seiten
Preis: € 39.90
erschienen bei Breitkopf & Härtel

                  

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